„Euthanasie ist ein Verbrechen gegen das Leben“
„Die Unmöglichkeit der Heilung in der Perspektive des herannahenden Todes anzuerkennen, bedeutet nicht das Ende des medizinischen und pflegerischen Handelns“: Ein Kranker hat auch im letzten Lebensstadium Anspruch darauf, dass man ihm hilft, ihn umsorgt, ihn liebt, so „Samaritanus bonus“. Der 32-Seiten-Brief, der in absehbarer Zeit auch in einer offiziellen deutschen Fassung veröffentlicht wird, will konkrete Hinweise geben, wie sich die Botschaft des guten Samariters aus dem Gleichnis Jesu heute in die Tat umsetzen lässt. „Selbst wenn Heilung unmöglich oder unwahrscheinlich ist, ist die medizinisch-pflegerische Begleitung … sowie die psychologische und spirituelle Begleitung eine unausweichliche Pflicht.“
Auch unheilbar Kranke verdienen Fürsorge
„Wenn möglich, heilen, aber immer Sorge tragen“: Diese Worte Johannes Pauls II. machen sehr deutlich, dass auch unheilbar Kranke immer Fürsorge und Pflege verdienen: Pflege bis zum Ende, Begleitung, Zuhören, Lieben. All das ist ein Gegenmittel gegen Einsamkeit, Angst vor Schmerzen und vor dem Tod. Das ganze Dokument kreist um den Sinn des Schmerzes und des Leidens im Licht des Evangeliums und des Heilsopfers Jesu Christi.
Unverletzlicher Wert des Lebens
Der Brief betont, „dass der unverletzliche Wert des Lebens eine grundlegende Wahrheit des natürlichen Sittengesetzes und der Rechtsordnung ist“. „Keiner darf einem anderen direkt das Leben nehmen, auch wenn jener danach verlangen sollte.“ Abtreibung, Euthanasie und auch Selbstmord wertet das Dokument als „schwerwiegende Verletzung“ der Schöpfungsordnung.
Wenn der heilige Wert des Lebens verschleiert wird
Das Dokument identifiziert einige Faktoren, die dafür sorgen, dass der Wert des Lebens nur noch schwer verstanden wird – etwa das Reden von einem „würdigen“ Leben, das nur unter bestimmten psychischen oder physischen Bedingungen („Lebensqualität“) möglich sei. Ein weiteres Hindernis sei ein falsches Verständnis von Mitgefühl: Echtes Mitgefühl nämlich könne „nicht darin bestehen, den Tod (eines Menschen) zu verursachen“. Stattdessen zeige es sich darin, dass man den Kranken annehme und ihm mit Zuneigung und allen Mitteln, die sein Leiden lindern können, helfe. Auch der wachsende Individualismus, der zur Vereinsamung von Menschen führt, gilt dem Dokument als ein Hindernis, das „den heiligen Wert jedes menschlichen Lebens verschleiert“.
Was das Lehramt zur Euthanasie sagt
Es sei eine „endgültige“ katholische Lehre, dass Euthanasie „ein Verbrechen gegen das menschliche Leben“ sowie „bei jeder Gelegenheit oder unter allen Umständen“ eine „in sich schlechte“ Handlung sei. „Jedwede direkte formelle oder materielle Mitwirkung“ daran sei „eine schwere Sünde gegen das menschliche Leben“, und keine Autorität könne sie „rechtmäßig anordnen oder zulassen“. Politiker, die Gesetzen zur Freigabe von Euthanasie zustimmen, machten sich zu „Mittätern der schweren Sünde“ und seien „des Ärgernisses schuldig“, weil diese Gesetze dazu beitrügen, die Gewissen zu „deformieren“. Euthanasie sei auch dann nicht zulässig, wenn ein Kranker dringend und verzweifelt danach verlange.
Nein zum „therapeutischen Übereifer“
Die „Würde des Sterbens zu schützen“, bedeutet nach Darstellung des Dokuments auch, auf „therapeutischen Übereifer“ zu verzichten. „Beim bevorstehenden unvermeidlichen Tod ist es daher nach Wissen und Gewissen legitim, die Entscheidung zu treffen, auf Heilversuche zu verzichten, die nur eine schwache und schmerzhafte Verlängerung des Lebens bewirken könnten, ohne jedoch die normalen Hilfen zu unterlassen, die dem Patienten in solchen Fällen geschuldet werden.“ Dieser Hinweis auf normale Hilfen zielt vor allem auf Ernährung und Wasserversorgung. Schmerztherapien seien „wertvoll und unverzichtbar“, um den Patienten zu begleiten. Sie dürften nie die Möglichkeit der Euthanasie mit einschließen, wohl aber die spirituelle Begleitung des Kranken und seiner Angehörigen.
Den Familien beistehen
Was die Pflege betrifft, ist es wichtig, dass sich der Kranke nicht als eine Last fühlt. Stattdessen, so betont der Brief der Glaubenskongregation, sollte er „die Nähe und die Wertschätzung seiner Angehörigen“ um sich spüren. Dafür bräuchten die Familien Unterstützung: Die Staaten müssten „die primäre und grundlegende soziale Funktion der Familie und ihre unersetzliche Rolle auch in diesem Bereich anerkennen, indem sie die erforderlichen Ressourcen und Strukturen zu ihrer Unterstützung bereitstellen“.
Fürsorge für Kinder – auch für Ungeborene
Vom Moment der Empfängnis an gilt es aus der Sicht der Glaubenskongregation, Kindern mit Missbildungen oder Krankheiten „auf eine gegenüber dem Leben respektvolle Weise zu begleiten“. Treten bei einem ungeborenen Kind Krankheitsbilder auf, die mit Sicherheit binnen kurzer Zeit zu seinem Tod führen, und lässt sich der Gesundheitszustand dieses kleinen Patienten nicht durch eine (vor- oder nachgeburtliche) Behandlung verbessern, darf es dennoch „in keiner Weise aus der Fürsorge ausgeschlossen werden“, sondern müsse bis zu seinem natürlichen Tod „wie jeder andere Patient begleitet werden“, ohne dass Ernährung oder Wasserversorgung ausgesetzt werden. Das Dokument kritisiert die „manchmal obsessive Anwendung“ pränataler Diagnostik und eine sich verbreitende Kultur, „die der Behinderung feindlich gegenübersteht“: Abtreibung sei „niemals erlaubt“.
Sedierung
Um Schmerzen eines Patienten zu lindern, werden bei der sogenannten „analgetischen Therapie“ Medikamente eingesetzt, die beim Kranken zur Unterdrückung des Bewusstseins, der sogenannten Sedierung, führen können. Die Kirche erklärt, wie das neue Dokument referiert, die Sedierung für „erlaubt“, damit das Lebensende „in größtmöglichem Frieden“ erreicht werden kann. Das gilt auch für Behandlungen, die dazu führen, dass der Moment des Todes früher eintritt (palliative Sedierung am Lebensende). Unerlaubt ist die Sedierung hingegen, wenn sie eingesetzt wird, um den Tod „direkt und absichtlich“ herbeizuführen.
Vegetativer Zustand
Auch im Bewusstseinsverlust oder im sogenannten „vegetativen Zustand“ muss der Kranke, wie „Samaritanus bonus“ hervorhebt, „in seinem Wert anerkannt werden und eine angemessene Fürsorge erhalten“: Er hat ein Recht auf Ernährung und Wasserversorgung. Allerdings könne es Fälle geben, in denen solche Maßnahmen „unverhältnismäßig werden“, etwa „weil ihre Verabreichung nicht mehr wirksam ist“. Es sei wichtig, den Angehörigen beizustehen, die die Last einer länger anhaltenden Pflege von Kranken im vegetativen Zustand trügen.
Einspruch aus Gewissensgründen
Der Brief aus dem Vatikan ruft die Ortskirchen und katholischen Gesundheitseinrichtungen zu einer klaren Haltung auf. Gegen Gesetze und Anordnungen, die Euthanasie erlauben, bestehe die Pflicht, unter Berufung auf sein Gewissen Widerstand zu leisten. „Christen sind … aufgerufen, aufgrund einer ernsthaften Gewissensverpflichtung ihre formelle Mitwirkung bei Handlungen nicht zu leisten, die, obwohl sie durch zivile Gesetzgebung zugelassen sind, im Gegensatz zum Gesetz Gottes stehen.“ Ärzte und Mitarbeiter im Gesundheitswesen bräuchten eine Aus- oder Weiterbildung, um Sterbenden auf christliche Weise beizustehen. Zur Frage der spirituellen Begleitung von Menschen, die um Euthanasie bitten, schreibt das Dokument, erforderlich sei „eine Nähe, die immer zur Umkehr einlädt“. Nicht erlaubt sei hingegen eine „externe Geste, die als Zustimmung zur Handlung der Euthanasie interpretiert werden könnte“ – etwa, dass man im Zimmer bleibt, wenn Euthanasie praktiziert wird.
Der Brief Samaritanus bonus liegt bislang in offizieller Übersetzung in den Sprachen Italienisch, Englisch, Spanisch und Portugiesisch vor. Eine deutsche Fassung soll demnächst veröffentlicht werden.
(vatican news – sk)
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