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Einzug Johannes XXIII.' am 11. Oktober 1962 in den Petersdom Einzug Johannes XXIII.' am 11. Oktober 1962 in den Petersdom 

Weigel: Beim Konzil ging es um die Heiligung der Welt

Am 11. Oktober 2022 jährt sich die Eröffnung des Zweiten Vatikanischen Konzils zum 60. Mal. Claudia Kaminski sprach über die Lehre und die Annahme des Konzils mit George Weigel, Theologe und einer der führenden katholischen Publizisten der Vereinigten Staaten.

Interview

Was waren die verschiedenen Rezeptionen nach dem II. Vatikanischen Konzil?

Das Zweite Vatikanische Konzil endete zu einem besonders schwierigen Zeitpunkt in der westlichen Kultur, Mitte der sechziger Jahre, auf dem Weg zu 1968 und allem, was das bedeutet. Das hatte einen tiefen Einfluss auf die Kirche und auf die Rezeption des Konzils. Ich denke, dass es jetzt, 60 Jahre nach der Eröffnung des Zweiten Vatikanischen Konzils am 11. Oktober 1962, an der Zeit ist, die beiden großen Themen, die sich durch die 16 Dokumente des Konzils ziehen, wieder aufzugreifen.

Erstens, dass Jesus Christus nicht nur die Wahrheit über Gott offenbart, sondern auch die Wahrheit über uns. In der westlichen Welt herrscht heute eine tiefe Verwirrung über das Wesen des Menschen. Wir müssen einen edleren Humanismus, einen christozentrischen Humanismus, etablieren. Und das zweite große Thema des Konzils war, dass in einer Welt, die sich nach Gemeinschaft sehnt, einer Welt, die unter Zersplitterung und Zwietracht leidet, die Kirche, wie es Lumen Gentium, die dogmatische Konstitution über die Kirche, ausdrückt, das Sakrament einer echten menschlichen Gemeinschaft ist.

Hier findet man die Gemeinschaft, nach der so viele Menschen suchen und die sie dann in Ersatz- oder falschen Formen von Gemeinschaft finden. Daher halte ich es für sehr wichtig, diese beiden Themen hervorzuheben. Beim Zweiten Vatikanum ging es viel mehr um die Bekehrung und Heiligung der Welt als um die Veränderung der Kirche. Es ist an der Zeit, das nach 60 Jahren zu erkennen.

Die heutige Gesellschaft akzeptiert oder versteht die kirchliche Lehre zu Ehe, Familie oder auch die Sakramente nicht mehr. Was ist Ihre Antwort darauf?

Nun, meine einfache Antwort darauf ist, dass wir nicht mehr wissen als Gott. Wenn Gott gesagt hat, dass es einen Plan gibt und dass die Struktur des menschlichen Lebens gottgegeben ist, dann sollten wir darauf achten, dass diese gottgegebene Struktur oder Gestalt, wenn Sie so wollen, ein Muster echter menschlicher Liebe enthält, das für echtes menschliches Glück sorgt.

Dies ist ein großes Problem, dem sich die Kirche stellen muss. Wir sind sehr schlecht darin gewesen, das Ja zu erklären, das hinter jedem Nein steht. Wir fühlen uns gezwungen, der postmodernen Kultur zu sagen, dass hinter dem Nein zu der Idee, dass zwei Menschen oder vielleicht drei oder vier Menschen miteinander heiraten können, ein Ja steht.

Es ist ein Ja zur dauerhaften, fruchtbaren, verheirateten Liebe zwischen einem Mann und einer Frau, die das menschliche Glück ausmacht. Die katholische Vorstellung vom moralischen Leben wird nicht zuerst von den Zehn Geboten, sondern von den Seligpreisungen umrahmt. Die Seligpreisungen sind für die Katholiken die Magna Carta des moralischen Lebens. Die Zehn Gebote sind die Leitplanken, die uns zu diesem menschlichen Glück und schließlich zur ewigen Seligkeit führen.
Aber wir beginnen nicht mit "Du sollst nicht". Wir beginnen mit "Das ist es, was Du bist".

Sie empfehlen mit Blick auf die Evangelisierung, man solle das sogenannte Aparecida-Dokument lesen, oder auch Redemptoris Missio von Johannes Paul II., oder Evangelii Gaudium von Papst Franziskus.
Die Frage ist wohl nicht, ob wir verstanden haben, dass wir ein missionarisches Unternehmen sein müssen? Ihrer Meinung nach gibt es zu viele Lippenbekenntnisse zur Evangelisierung?

Die Frage ist vielmehr, was eine effektive Evangelisierung ausmacht. Und noch einmal: Wenn man sich in der Weltkirche umschaut, dann ist es der Katholizismus in seiner Gesamtheit, der attraktiv und überzeugend ist und wächst. Und es ist das, was ich mit diesem leicht ordinären amerikanischen Coca-Cola-Image als "Catholic light" bezeichnet habe, das die Menschen nicht anzieht. Und ich bin jetzt an dem Punkt angelangt, wo ich das Bild sogar noch erweitert habe und sage, dass Catholic light zu Catholic zero führt.
Genau wie bei Coca Cola, führt light zu zero. Und ich denke, das ist im deutschsprachigen Raum, in Belgien, in weiten Teilen der Niederlande und in einem nicht unbeträchtlichen Teil der Kirche in Frankreich schmerzlich zu spüren.

(vatican news - ck)

 

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10. Oktober 2022, 08:18