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Vatikan: Ökumenische Annäherung dank Bioethik

Katholiken und Orthodoxe verbindet mehr als man denkt. Gerade im Bereich der ethischen Fragestellungen gibt es viele Schnittpunkte. Das ist eine der Erkenntnisse des ökumenischen Symposiums, das gerade im Vatikan tagte. Beim Einheitsdikasterium hat in Zusammenarbeit mit der Konrad-Adenauer-Stiftung die Konferenz über „katholische und orthodoxe Theologie im Dialog mit der Medizin“ auch die „praktischen Seiten“ der Ökumene dargelegt.

Mario Galgano – Vatikanstadt

Wenn man an den ökumenischen Dialog denkt, so kommen einem vor allen Dingen die theologischen Gespräche zu Liturgieverständnis und lehramtlichen Diskussionen in den Sinn. Es gibt aber Bereiche der Ökumene, die bisher wenig beleuchtet wurden. Die jüngste Konferenz im Vatikan ging auf den Bereich der Bioethik ein. Katholische und orthodoxe Theologen sprachen an diesem Mittwoch bis Freitag mit Medizinern, die ihrerseits katholisch oder orthodox sind. Und es ging nicht nur um die Frage nach Abtreibung und Euthanasie, bei der Katholiken und Orthodoxe ähnlich denken. Wie im Gespräch mit Radio Vatikan der Mitorganisator und griechisch-orthodoxe Theologe Stefanos Athanasiou erläutert, sei es ihm schon immer ein Anliegen gewesen, dass der Dialog zwischen der katholischen und orthodoxen Kirche auch auf einer praktischen Ebene geführt sollte:

Zum Nachhören - was die Konferenzteilnehmer sagen

„Und deshalb haben wir diese Konferenz organisiert, da der ökumenische Dialog auch mit der Medizin zu finden und zu suchen ist, weil sehr viele biomedizinische Fragestellungen doch besonders in unserer Gesellschaft heute immer wieder auftauchen durch künstliche Intelligenz in der Medizin, aber auch andere Bereiche der Medizin, die sehr viele bioethische Fragen tangieren, immer wichtiger werden.“

Stefanos Athanasiou
Stefanos Athanasiou

Sowohl von orthodoxer als auch katholischer Seite sehe man besonders in der heutigen Welt, dass sich das Menschenbild verändert habe, so der griechisch-orthodoxe Erzpriester, der an der LMU in München doziert. Deshalb werde dann der Dialog in solchen Thematiken wirklich schwierig, fügt er an.

Gleiche Ergebenisse, unterschiedliche Begründungen

Darin pflichtet ihm Professor Peter Schallenberg von der Theologischen Fakultät Paderborn bei. Gegenüber Radio Vatikan sagt der Sozialwissenschaftler und katholische Priester:

„Einig sind wir Christen im Grunde mit Blick auf die Ergebnisse, was die Bioethik betrifft. Jetzt könnte man denken – als Außenstehender – dann ist es ja keine besonders interessante Tagung. Interessant ist aber die unterschiedliche Begründung. Also, man kann eine Position von der Bibel her begründen oder vom Naturrecht her, von der Philosophie her, von unterschiedlichen anthropologischen Ansätzen, also konkret gesprochen: Wenn ich aufhöre zu rauchen, kann das den Grund haben, dass der Arzt mir das sagt oder meine Ehefrau mir das sag, oder ein guter Freund mir das sagt. Das sind unterschiedliche Begründungen. Und wenn ich feststelle, es ist gut, dass ich aufhöre zu rauchen, dann kann das auch so bleiben. Auch wenn beispielsweise der Freund nicht mehr diesen Ratschlag gibt oder der Arzt sagt, es sei sowieso egal. Also, Begründungen können sehr unterschiedlich sein.“

Peter Schallenbeg
Peter Schallenbeg

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Konferenz hatten sich deshalb vorgenommen, die drei großen Bereiche der Bioethik zu beleuchten: in ökumenischer Perspektive den Anfang des menschlichen Lebens; dann das Ende des menschlichen Lebens; und dazwischen das, was künstliche Intelligenz und medizinische Methoden sowie die Verbesserung von Lebensqualität betrifft. Mit dabei waren auch Mediziner, die sich „an der Front“ mit bioethischen Themen auseinandersetzen. Einer von ihnen ist Aristomenis Exadaktylos, Direktor und Chefarzt des Berner Inselspitals in der Schweiz. Er erläutert uns:

„Wir sind alle überrascht, manche erstaunt, manche auch etwas verstört.“

„Als Christ bin ich natürlich sehr stark involviert und sehr dankbar, dass sich die unterschiedlichen Kirchen diesem Thema der Bioethik annehmen. Wir leben in einer Zeit, in der das Ethos sich verändert. Wir leben gerade in einer wissenschaftlichen Sprungphase. Und wir erleben derzeit das Aufblühen der künstlichen Intelligenz, etwas, was wir uns eigentlich schon seit Jahrzehnten immer gewünscht haben. Nun ist es da. Wir sind alle überrascht, manche erstaunt, manche auch etwas verstört. Und umso wichtiger ist es, dass wir in dieser Zeit einen ethischen Rahmen um unser Tun legen. Vor allen Dingen in der Medizin, in der wir in den nächsten Jahren Quantensprünge sehen werden, in dem, was machbar ist. Aber nicht alles, was machbar sein sollte, darf denn auch sein. Und deshalb ein Dank an alle, die sich des Themas Ethos annehmen.“

Aristomenis Exadaktylos
Aristomenis Exadaktylos

Chance für die Kirchen

Exadaktylos sieht dies auch als Chance für die Kirchen, die einen ethischen Lebensweg aufzeigen könnten. Doch seien auch die Mediziner selber gefragt. Gerade in der Ausbildung bedürfe es mehr bioethischer Auseinandersetzungen, findet auch der deutsche Gastroenterologe und Endokrinologe Christoph von Ritter:

„Von diesen vielen Konferenzen, die es zum Thema Bioethik gibt, ist das hier im Vatikan eine ganz spezielle Zusammenkunft, weil sie eben nicht nur die grundsätzlichen bioethischen Fragen am Beginn und am Ende des Lebens betrachtet, wie übrigens jetzt auch Artificial Intelligence und alle diese wichtigen bioethischen Fragen, sondern weil sie auch einen Kontext, einen Hintergrund aufmacht, nicht nur von der religiös philosophischen Ebene generell. Das machen wir selbstverständlich als Bioethiker, aber eben auch im Vergleich dieser zwei großen christlichen Konfessionen. Und für mich speziell ist die Erfahrung, die ich mit den Beiträgen der orthodoxen Teilnehmer der orthodoxen Kirche hier bekomme, besonders interessant.“

Christoph von Ritter
Christoph von Ritter

Es sei ausnehmend wichtig, dass mehr Konferenzen dieser Art geführt würden, fügt der Mediziner an. Es seien noch sehr viele Themen anhängig, die in dieser weit aufgestellten, offenen Art behandelt werden sollte. Dies sei nicht nur religiös zu verstehen, sondern es gehe auch um die territoriale Breite. Von Ritter: „Wir haben Redner aus Zypern, wir haben einen, der ursprünglich aus Argentinien ist. Wir haben eine große geographische Breite. Bitte, mehr von diesen Konferenzen!“

(vatican news)

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29. September 2023, 11:35