Papst Leo XIV. und Schwester Tiziana Merletti von den Franciscan Sisters of the Poor (SFP) Papst Leo XIV. und Schwester Tiziana Merletti von den Franciscan Sisters of the Poor (SFP)  

Schwester Merletti: Frauen in Führungspositionen bedeutender

Schwester Tiziana Merletti von den Franciscan Sisters of the Poor (SFP) ist Sekretärin des vatikanischen Dikasteriums für die Institute des geweihten Lebens und die Gesellschaften des apostolischen Lebens. Es war die erste hochrangige weibliche Ernennung von Papst Leo XIV. Im Interview mit den vatikanischen Medien berichtet die Ordensfrau über Frauen in Führungspositionen der katholischen Kirche, Missbrauchsaufarbeitung, Synodalität und das aktuelle Heilige Jahr.

Isabella Piro und Stefanie Stahlhofen - Vatikanstadt

Am 22. Mai kam der Ruf von Papst Leo für die italienische Ordensfrau Tiziana Merletti zur Sekretärin des vatikanischen Dikasteriums für die Institute des geweihten Lebens und die Gesellschaften des apostolischen Lebens - kurz Ordensdikasterium. Es war die erste weibliche Ernennung in eine Spitzenposition der römischen Kurie durch Papst Leo XIV.:

„Die Ernennung hat mich natürlich sehr überrascht und mit Ehrfurcht erfüllt. Wie der Papst kürzlich selbst zu den neuen Bischöfen sagte, hatte auch ich meine eigenen Pläne und viele schöne Perspektiven, da ich gerade erst in Assisi angekommen war. Der Gedanke, alles hinter mir zu lassen und in einem so wichtigen und heiklen Dienst von vorne beginnen zu müssen, hat mich überrascht und unvorbereitet getroffen", schildert die Schwester von den Franciscan Sisters of the Poor (SFP) im Interview mit uns ihre erste Reaktion. 

Hier der Beitrag zum Nachhören

„Dann, durch das Gebet und auch durch den Austausch mit meiner Kongregation, kam die Erleuchtung, um ,Ja` zu sagen zu der neuen Berufung Gottes und der Kirche, dankbar für so viel Vertrauen. Was mich erwartet, vertraue ich dem Heiligen Geist an, der mich sicher leiten wird; ich vertraue darauf, dass ich nicht allein bin, da es im Dikasterium ein tolles Team gibt, das mit voller Kraft arbeitet; ich vertraue auch meinem persönlichen Weg, denn auch in anderen Lebensabschnitten habe ich die Erfahrung gemacht, dass ich mich klug geführt fühlte, dem Willen Gottes zu folgen."

Ordensfrau Tiziana Merletti, Sekretärin des vatikanischen Dikasteriums für die Institute des geweihten Lebens und die Gesellschaften des apostolischen Lebens
Ordensfrau Tiziana Merletti, Sekretärin des vatikanischen Dikasteriums für die Institute des geweihten Lebens und die Gesellschaften des apostolischen Lebens

„Dankbar für so viel Vertrauen“

Frauenpower für die katholische Kirche

Das Ordensleben der katholischen Kirche ist zu etwa drei Vierteln weiblich. Auch das Ordensdikasterium hat viel Frauenpower vorzuweisen: Es ist die Kurienbehörde mit dem höchsten Frauenanteil in der Leitung: Präfektin ist seit Januar 2025 Schwester Simona Brambilla M.C., die erste Frau in der Rolle eines Präfekten der Römischen Kurie. Zum Propräfekten ernannte Franziskus zugleich Kardinal Ángel Fernández Artime S.D.B. Seit Mai 2025 ist Schwester Merletti dort Sekretärin. Darüber hinaus sind ein weiblicher und ein männlicher Untersekretär im Dienst. 

„Mir ist bewusst, dass die Struktur unseres Dikasteriums innerhalb der Römischen Kurie eine absolute Neuheit ist. Eine Ordensfrau als Präfektin, ein Kardinal als Pro-Präfekt, eine Ordensfrau als Sekretärin... Und ja, ich denke gerne, dass dieser neue Stil auch eine bemerkenswerte und vielversprechende Frucht der immer bedeutenderen Beteiligung von Frauen an der Ausübung von Führungsaufgaben innerhalb der Kirche ist. Es ist das Evangelium selbst, das uns auffordert, unsere Talente, die Gaben, die wir von Gott erhalten haben, einzusetzen. Es kommt nicht darauf an, ob man Mann oder Frau ist", meint Schwester Merletti dazu. 

„Vielversprechende Frucht der immer bedeutenderen Beteiligung von Frauen an der Ausübung von Führungsaufgaben innerhalb der Kirche“

Es gehe vielmehr um Engagement, Opferbereitschaft, Ausdauer und auch um die Freude am Dienen. Wenn all dies mit Anerkennung auf verschiedenen Ebenen einhergehe, sei das „natürlich ein starkes Signal, dass wir als Kirche auf dem richtigen Weg sind."

Die große Wunde der Kirche: Missbrauch

Schwester Merletti hat einen Abschluss in Rechtswissenschaften, sie ist Expertin für Kirchenrecht und hat sich auch mit einem besonders heiklen und schmerzhaften Thema der katholischen Kirche befasst: Dem Missbrauch von Ordensschwestern.

„Ich wusste, dass mein Studium der Rechtswissenschaften und des Kirchenrechts nicht ohne Einfluss auf mein Leben als Ordensfrau bleiben würde. Als ich mich mit der großen Wunde der Kirche konfrontiert sah, die durch Missbrauch verursacht wurde – und ich betone, nicht nur sexuellen Missbrauch, sondern auch Macht- und Autoritätsmissbrauch, geistlichen und Gewissensmissbrauch sowie wirtschaftlichen Missbrauch –, bedeutete dies für mich, noch tiefer in unser Charisma einzutauchen. Einer der wichtigsten Schritte in diesen Jahren ist es, bei allen, die in diesem Bereich an vorderster Front stehen, das Bewusstsein zu entwickeln, dass sie einen Platz und einen Sinn für das finden müssen, was sie erleben: Leid, Verwirrung, Skandal, Ohnmacht, Ungerechtigkeit, Läuterung, Vergebung, Neuanfang, aber oft auch Niederlage."

„Als ich mich mit der großen Wunde der Kirche konfrontiert sah, die durch Missbrauch verursacht wurde – und ich betone, nicht nur sexuellen Missbrauch, sondern auch Macht- und Autoritätsmissbrauch, geistlicher und Gewissensmissbrauch sowie wirtschaftlichen Missbrauch –, bedeutete dies für mich, noch tiefer in unser Charisma einzutauchen“

Missbrauch an Ordensfrauen: Viel getan - und noch viel zu tun

Mit Blick auf Missbrauch jeglicher Art bei Ordensfrauen und in Gemeinschaften des geweihten Lebens sagt Merletti, dass viel getan wurde, aber auch noch „sehr viel" zu tun bleibe: „Alle Institute wurden insbesondere von der Internationalen Vereinigung der Ordensoberinnen UISG aufgefordert, eine Beauftragte für den Schutz zu ernennen und Leitlinien für ihr jeweiliges Institut zu erstellen. Hier zeigen die Entwicklungen, dass man sich zunächst auf sexuellen Missbrauch konzentrierte, aber nach und nach wurde klar, dass mehr getan werden musste: Sich bewusst werden, sich zu konkreten Maßnahmen entschließen, um auch andere Arten von Missbrauch zu verhindern und eventuelle Meldungen entgegenzunehmen. Im Mittelpunkt stehen dabei die Opfer, nicht die Institution. Und da gibt es kein Zurück."

„Nach und nach wurde klar, dass mehr getan werden musste: Sich bewusst werden, sich zu konkreten Maßnahmen entschließen, um auch andere Arten von Missbrauch zu verhindern und eventuelle Meldungen entgegenzunehmen. Im Mittelpunkt stehen dabei die Opfer, nicht die Institution“

Synodalität und Heiliges Jahr des geweihten Lebens

Bei allem, was sie tut, sagt die Ordensfrau, versuchten sie und das Ordensdikasterium immer einen synodalen Stil auch konkret im Alltag umzusetzen: „Etwa in der Art und Weise, wie wir Beziehungen untereinander aufbauen, wie wir Kompetenzen teilen, wie wir die Arbeit organisieren, wie wir die uns vorgelegten Fragen mit Respekt, Würde und Gerechtigkeit behandeln und wie wir uns an vorderster Front engagieren."

Anfang Oktober steht die Sonder-Veranstaltung zum Heiligen Jahr für das geweihte Leben an. Mit Blick darauf berichtet die Sekretärin des Ordens-Dikasteriums: „Als die Vorbereitungen dafür begannen und wir das Bedürfnis der Welt nach Versöhnung und Frieden hörten, kam es uns ganz natürlich vor, Hoffnung mit dem Thema Frieden zu verbinden und uns als ,Pilger der Hoffnung auf dem Weg des Friedens' auf den Weg zu machen. Nach mehreren Treffen, bei denen wir uns im Laufe des Jahres gemeinsam synodal vorbereitet haben, sind wir nun in freudiger Erwartung, denn es fehlen nur noch wenige Details."

„Pilger der Hoffnung auf dem Weg des Friedens“

Das Programm beginnt am 8. und 9. Oktober mit einem Bußtag, natürlich wird auch die Heilige Pforte durchschritten. Am Donnerstag, 9. Oktober gibt es ab 10.30 Uhr eine Messe mit Papst Leo XIV.  Am Abend des 9. Oktobers gibt es auf drei Plätzen in Rom – Piazza dei Mirti, Piazza Don Bosco und Piazza Vittorio Emanuele – ein besonderes Programm für Austausch, Momente der Geschwisterlichkeit untereinander und Erfahrungsberichte sowie Glaubens-Zeugnisse. 

„Uns daran erinnern, dass Frieden täglich mit konkreten Gesten der Solidarität und Liebe aufgebaut wird“

Jeder Platz hat dabei ein Thema: Das Engagement für die Ärmsten, die Sorge um die Schöpfung und die universelle Geschwisterlichkeit - „um uns daran zu erinnern, dass Frieden täglich mit konkreten Gesten der Solidarität und Liebe aufgebaut wird", erklärt Schwester Tiziana Merletti von den Franciscan Sisters of the Poor (SFP) und Sekretärin des vatikanischen Dikasteriums für die Institute des geweihten Lebens und die Gesellschaften des apostolischen Lebens. Am Samstag, dem 11. Oktober, gibt es Workshops zu Mediationstechniken und Konfliktmanagement. Bisher hätten sich bereits Tausende von Ordensleuten angemeldet. 

(vatican news - sst) 

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26. September 2025, 09:35