Kolumbien: 1.300 leere Versprechen
102 verschiedene Völker, alles andere als eine homogene Gruppe, so beschreibt Lauer Perez die Indigenen in Kolumbien. „Es werden 64 verschiedene Sprachen und eine Unzahl von Dialekten gesprochen. Sie leben auch sehr unterschiedlich, je nachdem, wo in Kolumbien sie zu Hause sind. In der Amazonia zum Beispiel stellen sie die Mehrheit der Bevölkerung, während sie in anderen Gegenden fast unsichtbar in den ihnen zugewiesenen Territorien leben. Was ihnen allen gemein ist, dass sie nach wie vor besonders häufig Opfer von Gewalt und Diskriminierung werden.“
Schutzlos
In der Tat hat sich ihre Situation mit der Beendung des bewaffneten Konflikts, der Mitte der Sechziger Jahre begann und etwa 50 Jahre dauerte, kaum verbessert. Im Gegenteil: „Die Territorien der indigenen Völker liegen in der Regel in sehr unzugänglichen Gegenden. Diese waren während der Jahre des bewaffneten Konflikts bevorzugte Rückzugsmöglichkeiten der Guerilla. Die Indigenen haben natürlich auch darunter gelitten, aber heute ist ihre Situation ungleich schwieriger, denn heute schützt niemand mehr das Gebiet vor dem Eindringen der multinationalen Konzerne. Das hat damals die Guerilla getan.“
Weil sich die Ausbeutung ihrer Territorien weiter verstärkt, sehen die Indigenen die Regierung in der Pflicht und fordern Schutzmaßnahmen – bisher jedoch ohne Erfolg. „Die Indigenen fordern von der Regierung auch ein Mitspracherecht für die Vergabe von Lizenzen an multinationale Konzerne für zum Beispiel Bergbau, Rodung von Wäldern, Bau von Megaprojekten wie Staudämme. Das Recht steht ihnen seit 1991 verfassungsrechtlich zu, wird jedoch permanent von allen Regierungen missachtet.“
1.300 Vereinbarungen ist die Regierung laut ONIC, der nationalen Organisation der indigenen Völker Kolumbiens, noch nicht nachgekommen, obwohl sie dies längst hätte tun müssen. „Die Verhandlungen mit Indigenen werden in der Regel erst dann geführt, wenn es eine Drucksituation für die Regierung gibt, wie zum Beispiel eine Straßenblockade wie jetzt kürzlich im Südwesten Kolumbiens. Dann werden Verhandlungen geführt und auch Versprechungen gemacht, aber sobald die Drucksituation vorbei ist, sind auch die Versprechungen wieder vergessen.“
Schlechte Entschuldigung
Auch das geplante Treffen zwischen dem kolumbianischen Präsidenten und den Indigenen wurde nicht in die Tat umgesetzt. Duque blieb dem Treffpunkt fern, angeblich wegen Sicherheitsbedenken. Das nimmt Lauer Perez ihm nicht ab. „Man hatte gesagt, die Sicherheit des Präsidenten könnte nicht gewährleistet werden. Damit implizierte man auch die Unterwanderung der indigenen Verhandlungsdelegation durch radikale und illegale bewaffnete und gewaltbereiten Gruppen. Von den Indigenen wurde dies glaubhaft ausgeschlossen, denn sie haben ihre eigenen Schutzmechanismen, die sogenannte ,Guardia indígena‘, so etwas wie eine indigene Wache, die für die Sicherheit des Präsidenten garantiert hat, und das auch noch im Zusammenspiel mit den staatlichen Sicherheitskräften. Außerdem hat sich Präsident Duque, als er am Verhandlungsort ankam, unter das Volk gemischt. Das hätte er sicherlich nicht getan, wenn die Gefährdung tatsächlich existent gewesen wäre.“
Nur eine Frage der Zeit
Früher oder später wird sich Duque aber an den Verhandlungstisch setzen müssen. „Für die nächsten Tage ist ein sogenannter „paro nacional“ ausgerufen, eine Art Generalstreik, der bereits begonnen hat und an dem sich verschiedene Gruppen beteiligen, nicht nur die Indigenen, sondern auch Gewerkschaften, Bauern, Lehrer, Studenten, soziale Organisationen. Das heißt diesmal wird die Drucksituation auf die Regierung deutlich größer und schwerer ausfallen.“
Einfluss nehmen sollte auch der deutsche Bundesaußenminister Heiko Maas, der das Land in diesen Tagen besucht. „Deutschland sollte sich – genau wie der Rest der internationalen Gemeinschaft, klar und deutlich für eine Fortführung des Friedensprozesses aussprechen. Dazu gehört natürlich auch eine adäquate Ausstattung dieses Prozesses. Das hat die Regierung Duque bisher nicht geleistet. Zudem muss die Sicherheit von Menschenrechtsverteidigern und sozialen Aktivisten gewährleistet werden. Allein im letzten Jahr wurden mindestens 172 von ihnen ermordet. Die Dunkelziffer ist weit höher, besonders hinsichtlich der Indigenen. Auch in diesem Jahr wurden bereits 19 Menschen ermordet.“
Auch für den Schutz der Natur des Amazonasraums solle er sich einsetzen, denn letztlich betreffe dieser alle, mahnt Lauer Perez.
(vatican news)
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