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Russlands Präsident Wladimir Putin bei seiner TV-Ansprache vom Montagabend Russlands Präsident Wladimir Putin bei seiner TV-Ansprache vom Montagabend 

Ukraine-Krise: Putin erklärt Donezk und Luhansk für unabhängig

Russlands Präsident Wladimir Putin hat am Montagabend die "Volksrepubliken" Donezk und Luhansk per Dekret als unabhängige Staaten anerkannt und die Entsendung russischer Truppen angekündigt. Beide Regionen gehören zur Ukraine, sind aber seit 2014 unter der Kontrolle prorussischer Separatisten. In einer langen TV-Ansprache führte er als Argument für den Schritt unter anderem eine angebliche Verfolgung orthodoxer Christen des Moskauer Patriarchats in der Ukraine an.

Putin sagte in seiner TV-Ansprache: „In Kiew bereiten sie weiter Gewaltakte gegen die ukrainisch-orthodoxe Kirche des Moskauer Patriarchats vor." Die ukrainische Staatsführung habe die „Tragödie der Kirchenspaltung" zynisch zu einem Instrument ihrer Staatspolitik gemacht. In das Parlament in Kiew seinen neue Gesetzentwürfe eingebracht worden, die sich gegen den Klerus und Millionen Mitglieder der Kirche des Moskauer Patriarchats richteten. Kiew reagiere nicht auf Forderungen, Gesetze aufzuheben, die die Rechte der Gläubigen verletzten.

Ukraine weiter für diplomatische Lösung 

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj verurteilte die Anerkennung der Separatisten-Gebiete in der Ostukraine als unabhängige Staaten. Kiew setze sich weiter für eine politisch-diplomatische Lösung ein.  Die jüngsten Schritte Moskaus stellten eindeutig eine „Verletzung der Souveränität und territorialen Integrität unseres Staates" dar, sagte er in der Nacht zum Dienstag in Kiew in einer Ansprache. Die gesamte Verantwortung für die Folgen dieser Entscheidungen lägen bei Russlands politischer Führung.  Die Anerkennung einer „Unabhängigkeit" der besetzten Regionen Donezk und Luhansk könne bedeuten, dass sich Russland einseitig von den Minsker Vereinbarungen zurückzieht und die Beschlüsse im Rahmen der sogenannten Normandie-Gespräche ignoriere. „Es untergräbt die friedlichen Bemühungen und zerstört die bestehenden Verhandlungsformate", so Selenskyj. Mit seinen Entscheidungen wolle Russland seine Truppen legalisieren, die sich bereits seit 2014 in den besetzten Gebieten des Donbass befänden. Mit Blick auf Russland fügte er hinzu: „Ein Land, das acht Jahre lang den Krieg unterstützt hat, kann den Frieden nicht halten, wie es behauptet."

OSZE gefordert

Kiew setze sich weiter für eine politisch-diplomatische Lösung ein und lasse sich nicht auf Provokationen ein, so der Präsident. Die Ukraine erwarte von ihren Partnern „klare und wirksame Schritte der Unterstützung". Es sei „sehr wichtig, jetzt zu sehen, wer unser wahrer Freund und Partner ist." Kiew bestehe darauf, dass die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) ihre Beobachtermission in der Ukraine fortsetze, „um Provokationen und eine weitere Eskalation zu verhindern". Die OSZE-Mission dokumentiert Verstösse gegen den Waffenstillstand, den die Ukraine und Russland im September 2014 im belarussischen Minsk vereinbart hatten.

Briten kündigen internationale Sanktionen an

Nach Worten des britischen Premierministers Boris Johnson werde Putin feststellen, dass er sich schwer verrechnet habe, wenn er in die Ukraine einmarschiere. Russland sei anscheinend auf eine großangelegte Invasion aus. „Ich denke, dass die Tragödie der gegenwärtigen Lage darin besteht, dass Präsident Putin sich mit gleichgesinnten Beratern umgeben hat, die ihm sagen, dass die Ukraine kein richtiges Land ist." Johnson kündigte umgehend ein Paket internationaler Sanktionen an. Putin verstoße gegen das Völkerrecht und verletze die Souveränität der Ukraine. 

Orthodoxe Christen in der Zwickmühle

Rund 60 Prozent der 45 Millionen Ukrainer bekennen sich zum orthodoxen Christentum. Sie gehören allerdings zwei verschiedenen Kirchen an: der ukrainisch-orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchats und der autokephalen (eigenständigen) „Orthodoxen Kirche der Ukraine". Diese entstand Ende 2018 aus dem 1992 gegründeten Kiewer Patriarchat und der 1921 ins Leben gerufenen „Ukrainischen Autokephalen Orthodoxen Kirche". In dem Land war angesichts des Krieges in der Ostukraine zwischen von Moskau unterstützten Separatisten und ukrainischen Regierungstruppen der Ruf nach einer von Russland unabhängigen orthodoxen Kirche lauter geworden. Das Ehrenoberhaupt der Weltorthodoxie, der Ökumenische Patriarch Bartholomaios I. von Konstantinopel, hatte erfolglos versucht, mit einem sogenannten Vereinigungskonzil im Dezember 2018 den Zusammenschluss aller drei Kirchen zu erreichen. Die neue orthodoxe Kirche der Ukraine erkannte er Anfang Januar 2019 als „autokephal" (unabhängig) an und stellte sie so allen 14 bestehenden orthodoxen Landeskirchen gleich.

Die russisch-orthodoxe Kirche betrachtet die Ukraine als ihr Stammland und lehnt die kirchliche Unabhängigkeit für das südliche Nachbarland strikt ab. Die moskautreue Kirche verfügt in der Ukraine über deutlich mehr Gemeinden als die neue Kirche. Sie räumte aber den Verlust von rund 100 Pfarreien an die orthodoxe Kirche der Ukraine ein. Für einen Wechsel einer Kirchengemeinde ist laut ukrainischem Recht jeweils die Zustimmung von zwei Dritteln ihrer Gläubigen nötig.

Das Moskauer Patriarchat selbst schwieg in den vergangenen Wochen zum aktuellen politischen Konflikt um die Ukraine. Allerdings rief die orthodoxe Kirche in Russland Ende vergangener Woche zu Unterstützung von Flüchtlingen aus der ostukrainischen Region Donbass auf. Diese Menschen befänden sich in einer äußerst schwierigen Situation, erklärte der Metropolit von Rostow am Don. Mehrere orthodoxe Metropolien in an die Ukraine grenzenden Regionen riefen zu Kirchensammlungen für diese Hilfe auf.

(kna/diverse-sst)

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22. Februar 2022, 10:16