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Am Dienstag hatte das dänische Parlament die Streichung des Gebetstages entschieden Am Dienstag hatte das dänische Parlament die Streichung des Gebetstages entschieden  (ANSA)

Dänemark: Kritik an Abschaffung von Gebetstag, um Wehretat zu erhöhen

Eine einschneidende Entscheidung sorgt in Dänemark für Diskussionen. Mit der Abschaffung eines wichtigen christlichen Gebetstages soll künftig der Wehretat erhöht werden. Das hat das dänische Parlament an diesem Dienstag entschieden. Unsere Kollegen vom Kölner Domradio sprachen darüber mit Sr. Anna Mirijam Kaschner. Die Deutsche ist Generalsekretärin der Nordischen Bischofskonferenz.

Der „Store bededag", also der „Große Gebetstag“, ist in Dänemark künftig kein arbeitsfreier Tag mehr. Das hat das dänische Parlament (Folketings) an diesem Dienstag entschieden. Die Nordische Bischofskonferenz bedauert diese Parlamentsentscheidung, gehe damit doch ein Tag mit wertvollen Familientraditionen verloren. Auch lutherische Bischöfe üben Kritik.

Hier der Beitrag zum Nachhören

Irritationen

„Wie kann man einen Gebetstag, an dem man früher in der Tradition auch für den Frieden gebetet hat, abschaffen, um die Gelder jetzt für Kriegszwecke oder Verteidigungszwecke zu nutzen?“, fragt sich in diesem Zusammenhang die Generalsekretärin der Nordischen Bischofskonferenz, Sr. Anna Mirijam Kaschner, die selbst in Dänemark stationiert ist, im Interview mit dem Kölner Domradio. Nicht nur die Kirchenvertreter seien irritiert über diese Entscheidung:

„Es kam jedenfalls sehr viel Kritik und Protest, sowohl vonseiten der Kirchen, vonseiten der Gewerkschaften und natürlich auch vonseiten der Bürger. Und das hat unterschiedliche Gründe.“

„Wie kann man einen Gebetstag, an dem man früher in der Tradition auch für den Frieden gebetet hat, abschaffen, um die Gelder jetzt für Kriegszwecke oder Verteidigungszwecke zu nutzen?“

Kirchen, Gewerkschaften, Familien: nicht berücksichtigt

Einerseits seien in Dänemark gerade Tarifverhandlungen angestanden, als die Nachricht von der beabsichtigten Streichung kam - die Gewerkschaften wurden zu deren großem Unverständnis nicht einbezogen. Doch auch für die Bürger bedeute dies wertvolle Familienzeit weniger, fiel der Gebetstag doch immer auf den vierten Freitag nach Ostern, sprich: ein langes Wochenende – das ab 2024 ausfallen wird.

„Man muss sich vorstellen, in Dänemark gibt es ja schon von der Kinderkrippe an bis zu den Jugendlichen die Ganztagsschulen. Das heißt, die Familien sind von morgens bis abends überhaupt nicht zusammen“, erläutert Sr. Anna Mirijam Kaschner. „Die Kinder werden erst abends, wenn die Eltern von der Arbeit kommen, abgeholt. Und von daher ist so ein langes Wochenende für viele natürlich auch noch mal so eine extra Pause.“

„Einerseits heißt es in der Regierungserklärung, Dänemark ist ein christliches Land und auf der anderen Seite schafft man einen christlichen Feiertag ab..“

Auch die Kirchen seien im Zug des Gesetzesvorschlags nicht einbezogen worden. Erst nach dessen Bekanntgabe wurde eine Anhörungsfrist von sieben Tagen eingeräumt, „was sehr ungewöhnlich ist und worüber sich die lutherischen Bischöfe auch sehr drüber beschwert haben, weil sie sagen, einerseits heißt es in der Regierungserklärung, Dänemark ist ein christliches Land und auf der anderen Seite schafft man einen christlichen Feiertag ab. Also das passt jetzt hier irgendwie nicht zusammen. Dazu wird es genutzt für Rüstungsausgaben, Verteidigungsausgaben.“

Mehreinnahmen gehen in Rüstungsausgaben

Der andauernde Krieg in der Ukraine und die damit verbundene Empfindung einer näher rückenden militärischen Bedrohung, im Verbund mit dem Ziel der NATO, dass deren Mitgliedstaaten jeweils zwei Prozent ihres Haushaltes für Militärausgaben aufwenden sollten, haben dafür gesorgt, dass der Gesetzesvorschlag im Parlament mit einer relativ deutlichen Mehrheit von 95 zu 68 Gegenstimmen verabschiedet wurde.

Die Mehreinnahmen, die sich die Regierung verspricht, sind erheblich: Rund 4,5 Milliarden Kronen (umgerechnet mehr als 640 Millionen Euro), die nun in den Verteidigungsetat fließen sollen. Ein weiterer Anreiz: Die ohnehin bereits für 2033 geplante Erhöhung des Militäretats auf zwei Prozent könnte mit diesem Schritt nun bereits 2030 erfolgen.

Tag der Konfirmationen

Doch auch wenn Dänemark grundsätzlich ein säkularisierter Staat sei, sei sie selbst über diese einschneidende Entscheidung überrascht gewesen, räumt Schwester Kaschner ein:

„Die Menschen gehen nicht unbedingt an diesem Tag zur Kirche, aber es werden an diesem Tag ganz viele Konfirmationen durchgeführt. Und das ist natürlich einschneidend - sowohl für die Kirche als auch für die Familien.“

Dänemarks Premierministerin Mette Fredriksen spricht am Dienstag vor der Presse
Dänemarks Premierministerin Mette Fredriksen spricht am Dienstag vor der Presse

Pflegeversicherung ist kein Wehretat?

Auch in Deutschland gibt es einen ähnlich gelagerten Fall: Den Buß- und Bettag, der auf Bundestagsbeschluss 1994 abgeschafft wurde, um die Finanzierung der neu eingeführten Pflegeversicherung zu unterstützen. Doch es mache zumindest gefühlsmäßig einen Unterschied, ob eine Pflegeversicherung oder ein Wehretat finanziert würden, gibt Sr. Kaschner zu bedenken:

„Zumindest im Gefühl der Bevölkerung ist es natürlich sehr viel besser, Ausgaben für eine Pflegeversicherung, die den Menschen im eigenen Land jetzt wirklich sehr dienen, zu benutzen, als dafür jetzt Waffen zu kaufen, um eventuell einen Krieg oder eben auch die Verteidigung des Landes zu finanzieren. Zumal, das sagen auch ganz viele Experten in dem Zusammenhang, man die Gelder durchaus woanders hätte herbeiholen können. Dafür hätte man jetzt nicht einen christlichen Feiertag abschaffen müssen.“

„Das ist eine ganz emotionale und große Tradition“

Traditionsreicher Tag

„Das ist eine ganz emotionale und große Tradition.“

Der nun abgeschaffte Feiertag hatte darüber hinaus eine beachtliche Tradition. Eingeführt wurde er in Dänemark im Jahr 1686, gemeinsam mit zwei weiteren Gebetstagen, durch den damaligen Bischof von Zeeland. Sein Ziel war es, mehrere christliche Feiertage zusammenzuführen, die in früheren Krisen- und Kriegszeiten entstanden waren. Der Große Gebetstag wurde schließlich durch königliches Dekret bestätigt. Man betete, fastete und tat Buße – doch die Dänen verbänden noch eine weitere liebgewonnene Angewohnheit mit diesem Tag, erläutert Sr. Kaschner:

„Damals durften alle Stände, sprich auch die Bäcker, nicht arbeiten. Deswegen haben sie am Abend vorher sogenannte Hveder gebacken. Das sind kleine Hefebrötchen, um dann am nächsten Tag am großen Bettag eben auch dieses Brot zur Verfügung zu haben. Und die Dänen kaufen also am Tag vor diesem großen Bettag diese Brötchen, erwärmen sie abends und essen sie am Abend vorher. Das ist eine ganz emotionale und große Tradition.“

Eine Tradition, die nun mit der Abschaffung des Gebetstages aussterben könnte. 

(domradio - cs)

 

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03. März 2023, 12:50