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Junge Christen bei einem Karfreitags-Umzug in Larnaka, Zypern Junge Christen bei einem Karfreitags-Umzug in Larnaka, Zypern 

Christen in Nahost: „Mehr in Menschen als in Steine investieren“

Jüngere Christen in Nahost wünschen sich grundsätzlich, in ihren Ländern bleiben zu können. Wer sie dabei unterstützen will, sollte „mehr in Menschen als in Steine investieren“: Das sagte uns die palästinensische evangelische Theologin Viola Raheb zum Abschluss eines Treffens in Nikosia über die Perspektiven der Kirchen in Nahost.

Francesca Sabatinelli und Gudrun Sailer - Nikosia

Bei der Konferenz zum zehnten Jahrestag des nachsynodalen Apostolischen Schreibens „Ecclesia in Medio Oriente" von Benedikt XVI. sei viel von der massenhaften Emigration junger Leute aus den Ländern der Region die Rede gewesen, so Raheb, die in Wien bei der Stiftung „Pro Oriente“ arbeitet. „Ich glaube, wir wären gut beraten, wenn wir darüber nachdenken, warum diese jungen Leute auswandern. Sie wandern nicht aus, weil sie in ihren Kirchen nicht verwurzelt sind oder in ihren Ländern nicht verwurzelt sind. Sie wandern aus, weil es keine Perspektiven für ein menschenwürdiges Leben gibt.“

Sie selbst habe in den vergangenen Jahren viel mit jungen Christen und Christinnen aus diesen Ländern gearbeitet. „Alle wollen in ihren Ländern bleiben und alle wünschen sich, dass die Kirchen mehr in Menschen als in Steine investiert. Es bedarf wenig, um diese Leute zu ermutigen, im Land zu bleiben, und es beginnt damit, sie wahrzunehmen, sie ernst zu nehmen, ihnen zuzuhören und ihnen einen Raum zu geben, um mit ihnen aktiv das Leben der Kirchen zu entwickeln, zu bewegen, zu befruchten.“

Hier zum Hören:

„Ich hätte mir gewünscht, dass mehr Frauen und mehr junge Leute an so einem Treffen teilnehmen“

Raheb sagte, die Konferenz auf Zypern sei für den Austausch der verschiedenen Kirchen und Länder wichtig gewesen, in denen Christen und Christinnen in Nahost leben – auch aus Russland und den USA. Allerdings: „Ich hätte mir gewünscht, dass mehr Frauen und mehr junge Leute an so einem Treffen teilnehmen. Denn das sind zwei Gruppen aus unseren Kirchen, die das kirchliche Leben tragen und für die Zukunft unserer Kirchen unerlässlich sind.“

Schwerwiegendes Problem: „Opfermentalität“

Ein schwerwiegendes Problem für die christlichen Gemeinden in Nahost ist aus Rahebs Sicht heute eine „Opfermentalität“, die sich bei vielen breit gemacht habe. Die Theologin bedauerte, „dass viele Christen und Christinnen, aber auch viele in den Ämtern, in vielen Positionen, aufgrund der schweren andauernden Traumata, die wir durchleben, von Krieg, von Gewalt, von Vertreibung, Zerstörung, Immigration eine Haltung eingenommen haben, die in eine Opfermentalität sich zurückzieht. Die größte Herausforderung ist, wieder die innere Kraft zu finden, die in unserem Glauben verwurzelt ist, dass wir in diese Region zum Glauben, zum Hoffen und zum Arbeiten aufgerufen sind und dass wir aktive Gestalter unseres Lebens sind.“

Die Kirchenkonferenz in Nikosia versammelte von Donnerstag bis Sonntag rund 300 Vertreterinnen und Vertreter der katholischen Kirchen im Nahen Osten in Zypern. Sie berieten über aktuelle Herausforderungen und Zukunftsperspektiven für die Kirchen im Nahen Osten. Den Vorsitz hatte Erzbischof Claudio Gugerotti, Präfekt des vatikanischen Dikasteriums für die Orientalischen Kirchen. Das Dikasterium war Veranstalter der Konferenz.

(vatican news – gs)

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24. April 2023, 09:18