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Axel van Trotsenburg, Vizedirektor der Weltbank, beim Interview in unseren Studios Axel van Trotsenburg, Vizedirektor der Weltbank, beim Interview in unseren Studios  

Weltbank-Vize van Trotsenburg: Welche Unterstützung Afrika braucht

Die Weltgemeinschaft muss ihre Überheblichkeit gegenüber Afrika ablegen und die Menschen des Kontinents in einer wertschätzenden und sie mit einbeziehenden Weise unterstützen. Das sagt vor dem großen Afrika-Gipfel, der am Sonntag in Rom beginnt, im Interview mit Radio Vatikan der Vizedirektor der Weltbank, Axel van Trotsenburg.

Deborah Castellano Lubov und Gudrun Sailer - Vatikanstadt

Van Trotsenburg, Doppelstaatsbürger der Niederlande und Österreichs, verantwortet die Entwicklungspolitik und die Partnerschaften der Weltbank und wird am Afrika-Gipfel teilnehmen. Dazu wollen sich mehr als 20 afrikanische Staats- und Regierungschefs in Rom versammeln, das Meeting beginnt am Sonntagabend. Die Gastgeberin, Italiens Premierministerin Giorgia Meloni, will eigenen Angaben zufolge Italien als neuen Partner für Afrika ins Spiel bringen und zugleich Investitionen anregen, um die illegale Einwanderung über das Mittelmeer einzudämmen.

Die derzeitige wirtschaftliche und soziale Lage in Afrika ist zweifellos „kompliziert“, räumt der Weltbank-Vizedirektor ein, als Grund nennt er die Folgen der Corona-Krise und des Klimawandels sowie die Konflikte in der Sahelzone oder am Horn von Afrika. „Wir haben über Jahrzehnte hinweg Fortschritte gesehen, insbesondere bei der Armutsbekämpfung, aber die sind jetzt ins Stocken geraten, und vor allem in den fragilen Ländern nimmt die Armut wieder zu“, so van Trotsenburg. „Deshalb müssen wir uns als internationale Gemeinschaft auf Afrika konzentrieren.“ Ausdrücklich begrüße die Weltbank den Vorstoß der italienischen Regierung, während ihrer G7-Präsidentschaft Afrika auf die Agenda zu setzen.

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Sorge bereite ihm, dass die internationale Entwicklungshilfe für die Länder Afrikas 2022 real um sieben Prozent gesunken sei, erklärte der Weltbank-Vizedirektor. Seine Organisation fahre an diesem Punkt schon seit längerem die entgegengesetzte Strategie: „Wir haben unser Engagement in Afrika erheblich ausgeweitet. Vor 20 Jahren gingen vielleicht 15 Prozent unserer Gesamtzusagen nach Afrika, vielleicht 3 Milliarden. Jetzt sind wir bei fast 50 Prozent angelangt.“ In den vergangenen Jahren habe die Weltbank „33 oder 34 Milliarden Dollar pro Jahr in Afrika investiert“, und diese Strategie will man beibehalten.

Schulden: Heutige Gläubiger Afrikas haben „unterschiedliche Prioritäten“

Afrika ist außerordentlich reich an Bodenschätzen, leidet aber unverhältnismäßig unter Krisen, Kriegen, Ausbeutung und seiner eigenen Staatsverschuldung. 2022 belief sich die Staatsverschuldung der 54 afrikanischen Länder zusammen auf 1,8 Billionen Euro, und die Verschuldungsrate wächst deutlich schneller als die Entwicklungsrate. „Wir stehen zum wiederholten Mal vor einer ziemlich ernsten Situation, in der etwa die Hälfte der Länder entweder in Schuldennot geraten ist oder ein hohes Risiko hat, in eine Schuldennotlage zu geraten“, resümiert der Weltbank-Vizedirektor. Eine Schuldennotlage ist dann gegeben, wenn ein Land mehr als 7,5 Prozent seiner Wirtschaftsleistung zur Rückzahlung von Schulden ausgibt und damit mehr als für Bildung und Gesundheit zusammen. Dafür brauche es Lösungen, so van Trotsenburg, das sei aber schwierig geworden, auch weil unter den Gläubigern heutzutage China und Länder aus dem arabischen Raum seien, die „unterschiedliche Prioritäten“ hätten.

Die Kriege in der Ukraine und in Gaza wirken sich ebenfalls negativ auf Afrika aus. Der Weltbank-Vizechef äußerte klare Unterstützung für die unausgesetzten Friedensappelle von Papst Franziskus.  „Wir müssen uns immer vor Augen halten, dass die Weltbank auf den Trümmern des Zweiten Weltkriegs gegründet wurde. Es ging um den Wiederaufbau. Ich sage gerne, dass es sich letztlich um eine Organisation handelt, die auf Frieden aufgebaut ist, und Frieden ist der einzige Weg, wie wir in unserer Entwicklungsarbeit wirklich erfolgreich sein können.“

„Wir bleiben aber da, wenn die Kameras weg sind“

Aber natürlich könne man im Fall von Konflikten nicht einfach weggehen. „Wir haben auch eine Strategie, um inmitten von so viel humanitärem Leid engagiert zu bleiben“, erklärt van Trotsenburg. „Es gibt Grundbedürfnisse und unzählige Menschen haben keinen Zugang zu diesen Dienstleistungen. Das erfordert Engagement. Ich sage immer: Es ist eine Sache, bei einem katastrophalen Ereignis wie einer Naturkatastrophe vor Ort zu sein, wenn alle Kameras da sind; wir bleiben aber da, wenn die Kameras weg sind. Man muss sich für die langfristige Entwicklung engagieren.“ Gerade Bildung und Gesundheit seien „keine Angelegenheit von zwei Wochen“. Auch wenn es nicht einfach sei, müsse man dranbleiben und sich mit anderen Partnern zusammentun. „Dabei geht es nicht nur um die Regierung, sondern auch um private NGOs, und es gibt kirchliche Gruppen, die noch etwas bewirken können.“

Das Um und Auf: Bevölkerung miteinbeziehen

Als zentralen Punkt in der Entwicklungshilfe, egal in welchen Bereich, ortete Axel van Trotsenburg das gegenseitige Vertrauen der Akteure: „dass man sich auf die Menschen vor Ort verlassen muss und dass man sich auf das stützt, was sie brauchen. Es herrscht zu sehr die Vorstellung, dass die Leute es besser wissen. Man muss von den örtlichen Gegebenheiten lernen, und man braucht die Eigenverantwortung.“ Es brauche also eine Partnerschaft, „die getragen ist vom Austausch von Erfahrungen und vom Aufbau auf den Stärken dessen, was die Regierung und die lokale Bevölkerung bieten können: Kultur, Sprache, Geschichte, Kunst. Hier kann man großen Erfolg haben.“ Ein großer Teil des Misserfolgs in der Entwicklungsarbeit liege darin, „dass man glaubt, man könne einfach einfliegen und alles in fünf Minuten herausfinden und denken, man habe die Lösung.“

Was den Erfahrungen der Weltbank zufolge wirklich gut wirkt, eine „best practice“, wie es im Wirtschaftsjargon heißt, ist die Einbeziehung der örtlichen Bevölkerung. Sie entscheidet oft genug über Erfolg oder Scheitern eines Entwicklungsprojekts. „Ein wunderbares Projekt ist das Sahel Women's Empowerment Project, das mit Frauen auf dem Lande arbeitet. Sie sind in der Landwirtschaft tätig und setzen sich für den Schutz junger Mädchen ein, die entweder keine Möglichkeit haben, zur Schule zu gehen, oder sich Sorgen über Kinderheiraten machen. Wenn man ihnen also mit diesen Empowerment-Projekten helfen kann, lassen sich die negativen Auswirkungen, denen viele der jungen Mädchen ausgesetzt sind, oft vermeiden.“ In vielen Bereichen könne man, von außen kommend, überhaupt nichts erreichen, wenn man nicht mit den örtlichen Gruppen zusammenarbeitet und Vertrauen entwickelt, hält Axel van Trotsenburg fest. Nur so könne ein Rahmen entstehen, „in dem diese Gruppen gedeihen und ihre Lebensgrundlage und ihr Selbstwertgefühl durch Selbstbestimmung wirklich verbessern können. Das haben wir im Lauf der Zeit gelernt haben und das funktioniert meiner Erfahrung nach am besten.“

(vatican news – gs)

 

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28. Januar 2024, 11:20