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Am Mittwoch im nördlichen Gazastreifen Am Mittwoch im nördlichen Gazastreifen  (AFP or licensors)

Israel, Gaza und die Geiseln: „Jetzt bräuchte es geschickte Verhandler“

Im Gaza-Krieg steht das Waffenstillstands-Abkommen zwischen Israel und der Hamas-Terrorgruppe auf Messers Schneide. „Von allen Seiten gibt es Drohungen, die Spannung ist zum Zerreißen.“

Stefan von Kempis – Vatikanstadt

Das sagte der Franziskaner Ibrahim Faltas der Nachrichtenagentur Asianews. „Der Waffenstillstand hatte in der Bevölkerung ein bisschen Hoffnung ausgelöst, die geht jetzt wieder verloren. Alle, Israelis wie Palästinenser, sind besorgt, was am Samstag passieren könnte. Es besteht das konkrete Risiko, dass der Krieg wiederaufgenommen wird.“

Vor allem aus der israelischen Regierung mehrten sich in diesen Tagen Stimmen, die fordern, dass Hamas am Samstag mehr Geiseln freilässt als ursprünglich vereinbart. Das wird von US-Präsident Donald Trump noch befeuert. Die Terroristen wiederum setzten die Freilassung von Geiseln zunächst aus, sagten jetzt aber zu, am Samstag wie geplant weitere Geiseln auf freien Fuß zu setzen. Insgesamt befinden sich noch 76 Geiseln im Gazastreifen.

Ibrahim Faltas
Ibrahim Faltas

„Alle hoffen, dass der Gaza-Krieg nicht zurückkehrt“

Dabei ist die Lage, wie Faltas betont, nicht nur in Gaza dramatisch, sondern auch im Westjordanland. „Alle hoffen, dass der Gaza-Krieg nicht zurückkehrt und dass der Krieg im Westjordanland endet.“ Der Palästinenser Faltas ist Generalvikar der Kustodie des Heiligen Landes.

„In einem Konflikt wie diesem stellen Geiseln ein enormes Druckmittel dar“, erklärt der Sicherheitsexperte Frédéric Martin im Gespräch mit dem Pariser „Radio Notre Dame“.

Angehörige von Geiseln blockieren am Donnerstag eine Schnellstraße in Tel Aviv
Angehörige von Geiseln blockieren am Donnerstag eine Schnellstraße in Tel Aviv

Geiseln als Druckmittel

„Das gilt schon auf taktischer Ebene, weil sie eine Offensive verlangsamen. Aber vor allem haben Geiselnahmen vielfältige Auswirkungen auf die Politik und die öffentliche Meinung, und das ist der Punkt, an dem es sehr kompliziert wird. Geiseln sind eine Währung, ein Druckmittel anderer Art, sie sind ein Druckmittel auf die öffentliche Meinung. Das sieht man deutlich in Israel: Ein Teil der Bevölkerung verlangt, alles zu tun, um eine schnelle Rückkehr der Geiseln zu erreichen.“

Die Hamas hält mit den noch in ihrer Gewalt verbliebenen Geiseln also ein starkes Faustpfand in Händen. Es gehe darum, den Gegner in einen anhaltenden Schockzustand zu versetzen, so der Experte. „Bei diesem Schock geht es also um mehr als um Taktik oder um einen guten Ausgangspunkt für Verhandlungen; man setzt darauf, dass sich die Menschen (in Israel) gegen ihre Regierung wenden. Dies ist also ein politisches Thema.“

Der Waffenstillstand im Gaza-Krieg auf der Kippe - ein Bericht von Radio Vatikan

Trump als Blockierer

Was es jetzt eigentlich bräuchte im Gaza-Konflikt, wären geschickte Verhandler – mit der Bereitschaft, dem anderen wirklich zuzuhören, so Martin. Das sei „das Schwierige an der Sache“.

„Man müsste sich ein gemeinsames Ziel setzen, das von klaren Grenzen eingerahmt wird, die auch von beiden Parteien geteilt werden. Im Falle von Israel-Gaza geht es um Hinterzimmergespräche, von denen man nichts mitbekommt, die aber immer weiterlaufen. Kompliziert ist, dass es nicht direkt beteiligte, dritte Parteien gibt, die Einfluss auf den Stand der Dinge nehmen. In unserem Fall ist es US-Präsident Trump, der droht, wenn die Hamas nicht bis Samstag alle israelischen Geiseln freilasse, breche die Hölle los. Die Frage ist, ob Trump vorher intern diese Äußerung abgesprochen hat oder ob er das einfach so geäußert hat. In dem Fall wird er zu einer dritten Partei, die blockierend auftritt.“

Ob sich durch die Zusage der Hamas, am Samstag weitere Geiseln freizulassen, die kritische Situation auflösen lässt, ist noch nicht sicher.

Trump
Trump

Neuhaus: „Tritt in den Magen“

Derweil hat sich Pater David Neuhaus entsetzt über Pläne Trumps geäußert, den Gazastreifen in eine Art „Riviera“ zu verwandeln. In einem Interview sprach der in Südafrika geborene Sohn deutsch-jüdischer Eltern und frühere Patriarchalvikar des Lateinischen Patriarchats von Jerusalem von einem „Tritt in den Magen“. „Und ich bin nicht einmal Palästinenser. Ich bin ein Israeli.“

Trumps Plan bedeute, den Gazastreifen in eine Luxus-Küstenregion zu verwandeln. „In dieser Vision gibt es keinen Platz für die Menschen, die Gaza als ihre Heimat betrachten. Diese Bevölkerung muss umgesiedelt werden (und es ist nicht klar, wohin). Dies ist eine weitere Etappe auf dem Weg zur Vertreibung der Palästinenser aus Palästina.“

(vatican news/radio notre dame – sk)

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13. Februar 2025, 10:30