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Bei der Wieder-Einweihung der Al-Tahira-Kirche in Mossul Bei der Wieder-Einweihung der Al-Tahira-Kirche in Mossul 

Irak: „Probleme auch politisch angehen”

Die Wieder-Einweihung der chaldäischen Kirche Al-Tahira in Mossul, die durch den IS schwer beschädigt wurde, bestärkt die Christen in der Region. Doch Probleme könne man nicht nur durch religiöse Zuwendung lösen, vielmehr müssten diese auch politisch angegangen werden, meint der Chaldäer Bassam, der bei der Zeremonie am Donnerstag dabei war, im Gespräch mit uns.

Joseph Tulloch und Christine Seuss - Mossul/Vatikanstadt

Viele der ursprünglich ansässigen Christen sind geflohen, nur noch 200.000 Köpfe zählt die Gemeinschaft derzeit im Land. Doch angesichts der aktuellen stabileren Situation kehren einige von ihnen auch zurück. Einer von ihnen ist Bassam. Gebürtig aus der Ninive-Ebene, war er länger in Deutschland und arbeitet mittlerweile für verschiedene NGO’s in der Region. „Daesh hatte diese Kirche zerstört und durch internationale Unterstützung von L’Oeuvre d‘Orient und Alpha konnte die Renovierung finanziert und durchgeführt werden. Und heute war die Eröffnung. Es hat mich sehr gefreut, hier zu sein. Vielleicht ist es auch ein gutes Zeichen für die Zukunft, dass die Christen hier zurückkehren nach Mossul und hier leben.“

Kein leichtes Leben

Doch die Situation für die Christen im Irak sei auch nach der Niederschlagung des IS nicht einfach, bedingt durch die politische Lage und Trennungen in den Familien: „Die Christen haben kein Vertrauen mehr in die Regierung, auch wegen der Korruption. Und deswegen sind die meisten weg und wollen nicht mehr zurück“, räumt Bassam ein, der in Karakosh lebt, der größten christlichen Stadt im Irak.

„Das Leben ist natürlich nicht leicht, auch wegen der politischen Lage. Die Christen haben keine Vertreter, die im irakischen Parlament deren Stimmen vertreten. Sie repräsentieren die Christen nicht, sie wurden auch von den anderen gewählt, nicht von Christen. Leider ist auch die Wirtschaft schlecht, auch wegen der Korruption, und wir kämpfen mit Arbeitslosigkeit und sozialen Problemen. Die meisten Familien sind geteilt, manche Mitglieder sind im Ausland, andere leben hier. Viele Kinder haben ihre Eltern verlassen, Brüder haben ihre Familien verlassen. Deswegen haben wir auch soziale Probleme.“

Bassam aus Mossul, der derzeit in Karakosh lebt
Bassam aus Mossul, der derzeit in Karakosh lebt

Diesen Problemen müsse nicht nur durch die Glaubensführer, sondern auch und vor allem politisch begegnet werden, betont Bassam:

„Wir müssen nicht nur religiös arbeiten, sondern auch politisch. Wir müssen mehr politisch machen. Wir brauchen wirkliche Abgeordnete, die uns repräsentieren im Parlament.“ Doch ein säkularer Staat, in dem alle Konfessionen die gleichen Rechte hätten, sei im Irak kaum vorstellbar, zeigt sich Bassam skeptisch.

„Weil wir im Irak keine Demokratie haben. Ich nenne das Theokratie. Das bedeutet, dass die Gläubigen durch ihre Glaubensführer in ihrer Wahl beeinflusst werden. Also, wenn ein Imam oder ein Scheich in der Moschee sagt, du sollst diese Person wählen, dann ist es ein Problem, denn das ist nicht mehr Demokratie.“

Unterstützung nötig

Schließlich wählten die Menschen auf diese Weise nicht die Menschen, die ihren Überzeugungen am besten entsprächen oder fachlich am besten für ihre Aufgabe geeignet seien. Internationale Unterstützung erhofft sich der Christ vor allem für die Minderheiten im Irak:

Ich hoffe, dass alle die Minderheiten hier unterstützen. Weil im Irak die Minderheiten einfach nicht sehr gut unterstützt sind. Das Land ist sehr reich an Öl. Aber es herrscht Korruption und deswegen bekommen die Minderheiten vom Ertrag nichts ab. Und deswegen hoffen wir, dass die anderen Länder auch die Minderheiten hier unterstützen. Also nicht nur Christen, sondern auch Jesiden und andere, die ebenfalls Unterstützung brauchen.“

Große Feier

Al-Tahira war am Mittwoch, 15. Oktober, in einer weltlichen Zeremonie wiedereröffnet worden, zu der zahlreiche lokale Journalisten sowie der Bürgermeister von Mossul und der Gouverneur der Provinz Ninive gekommen waren. An der Messe zur erneuten Weihe am folgenden Tag nahm eine kleinere Gruppe chaldäischer Gläubiger teil. Acht Jahre nach der Befreiung von ISIS sind nur sehr wenige Christen zurückgekehrt, um dauerhaft in Mossul zu leben, und die Mehrheit der Teilnehmer an der Wiederweihe war aus den umliegenden christlichen Dörfern in die Stadt gereist.

(vatican news)

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17. Oktober 2025, 12:46