Eine beim Erdbeben von 2023 zerstörte orthodoxe Kirche in der Türkei Eine beim Erdbeben von 2023 zerstörte orthodoxe Kirche in der Türkei 

Türkei: „Papstreise wird Dialog voranbringen“

Der Jesuit Paolo Bizzeti sieht in der bevorstehenden Apostolischen Reise von Papst Leo XIV. in die Türkei, ein „faszinierendes und großzügiges Land“, eine „großartige ökumenische Gelegenheit“. Im Gespräch mit Radio Vatikan denkt der frühere Präsident der türkischen Caritas und emeritierte Apostolische Vikar von Anatolien auch gerne an die besondere interreligiöse Zusammenarbeit zurück, die sich bei der Hilfe für Betroffene des Erdbebens von 2023 entwickelt hat.

Daniele Piccini und Christine Seuss - Vatikanstadt

„Der Besuch des Papstes ist eine großartige ökumenische Gelegenheit, und das Jubiläum von Nizäa wird dazu dienen, den Geist wiederzubeleben, der die Konzilsväter beseelte: den eigenen Glauben in neuen Begriffen und Kategorien auszudrücken und das zu suchen, was eint, wie es der heilige Johannes XXIII. formulierte. Diese Aufgabe muss immer wieder neu mit Leben gefüllt werden“, betont der Bischof, der Ende 2024 aus Altersgründen von seinem Amt als Apostolischer Vikar zurückgetreten ist, in einem Interview im Vorfeld der lange erwarteten Papstreise.

Ein religiöses Mosaik

Es war erklärtes Ziel von Franziskus, an den Feiern zum 1700. Jahrestag des Ökumenischen Konzils von Nizäa teilzunehmen, doch angesichts seiner Krankheit war das ursprünglich für die erste Jahreshälfte geplante Gedenken verschoben worden. Nun ist es Papst Leo, der seine erste große Reise aus diesem Anlass in die Türkei unternehmen und dabei Ankara, Istanbul und İznik, das antike Nizäa, besuchen wird.

Bizzeti, der von 2015 bis 2024 Apostolischer Vikar von Anatolien war, kennt die Türkei und die Herausforderungen für die dortige christliche Gemeinschaft sehr genau:

„Religiös gesehen ist die Türkei ein Mosaik, in dem der politische Islam, der traditionelle religiöse Islam, die spirituelle Strömung der Sufis, die Alawiten, der Agnostizismus oder Deismus vieler Menschen sowie die bedeutenden christlichen Minderheiten zusammenleben. Aber die katholische Pastoral ist durch Gesetze oder Praktiken stark eingeschränkt, die den Bau von Kapellen, Jugend- oder Kulturzentren verhindern. Alles spielt sich in wenigen Pfarreien ab, die gemäß dem Vertrag von Lausanne vor einem Jahrhundert festgelegt wurden“, erläutert er.

Bizzeti bei einem Besuch im Studio von Radio Vatikan
Bizzeti bei einem Besuch im Studio von Radio Vatikan

Nur wenige Pfarreien 

Die Christen insgesamt stellen in der Türkei eine kleine Minderheit. Ein Papstbesuch und die Tatsache, dass er damit seine Nähe und Fürsorge zeige, sei für diese kleine Gemeinschaft besonders bedeutend, unterstreicht der ehemalige Vikar:

„Die Türkei ist ein äußerst wichtiges Land – nicht nur wegen der Vergangenheit, denn das Christentum, wie wir es kennen, entstand in Antiochia am Orontes (Antiochien, Anm.), einst Hauptstadt der römischen Provinz Syrien, heute in der Türkei –, sondern auch wegen der aktuellen christlichen Realität. Die Türkei ist ein Labor, in dem auch die lateinische Kirche aktiv und zugleich demütig präsent sein muss.“

Ein Beitrag, der auch von den Behörden gewürdigt wurde

Von 2019 bis vor kurzem war Bizzeti neben seinem Amt als Apostolischer Vikar auch Präsident der Caritas des Landes, für die er in der aktuellen Übergangsphase noch geschäftsführend tätig ist. Am 6. Februar 2023 hat ein Erdbeben der Stärke 7,8 die Gebiete entlang der syrisch-türkischen Grenze erschüttert, offiziellen Angaben zufolge kamen über 50.000 Menschen ums Leben. Doch „die tatsächliche Zahl der Opfer dürfte viel höher gewesen sein, und die Zahl der Vertriebenen ging in die Hunderttausende“, gibt der Bischof zu bedenken:

„Eine gewaltige Tragödie, in der wir alle unsere eigene Zerbrechlichkeit erkannt haben und deren Folgen noch heute besonders die ärmsten lokalen Bevölkerungsgruppen schwer belasten. Für uns in der Caritas war es eine Herausforderung, die uns gezwungen hat, schnell zu wachsen – nicht ohne Schwierigkeiten und Fehler. Aber wir waren sehr zufrieden, unseren Beitrag geleistet zu haben, mit lokalen und nationalen Rettungsorganisationen zusammenzuarbeiten und offiziell zum Dank nach Ankara einberufen worden zu sein. Wir wurden – was zuvor nie geschehen war – als Einrichtung anerkannt, die Menschen selbstlos und ohne Unterschiede hilft. Als Katholiken sind wir stolz darauf, unseren kleinen Beitrag geleistet zu haben, indem wir großzügige Hilfe aus allen vier Ecken der Welt fruchtbar gemacht haben.“

Interreligiöser Dialog durch gemeinsame Hilfe

Doch nicht nur die Anerkennung durch die Behörden, sondern auch der Dialog mit dem Islam habe von dieser gemeinsamen und ohne Ansehen der Religionszugehörigkeit geleisteten Hilfe profitiert, erinnert sich der damalige Caritas-Chef:  

„In den Monaten nach dem Erdbeben haben wir alle gemeinsam gearbeitet, traditionelle Trennmauern niedergerissen und gezeigt, dass der tiefste interreligiöse Dialog – wie Papst Franziskus sagte – der Dialog des Lebens ist, besonders in der Hilfe für die Armen.“

Der aktuelle Papstbesuch werde diesen positiven Effekt im Nachgang der unermüdlichen Arbeit der vergangenen Monate auch für die Caritas-Mitarbeiter selbst verstärken, zeigt sich Paolo Bizzeti überzeugt:

„Sicherlich wird es für alle Mitarbeitenden eine wunderbare Gelegenheit sein, sich als Teil des Gottesvolkes zu fühlen, vereint im Dienst und in der Aufmerksamkeit für die schwächsten Schichten der Gesellschaft – etwas, das das Christentum seit jeher prägt, in der Nachfolge Jesu, des Dieners aller.“

(vatican news)

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14. November 2025, 13:34