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Klimafolgenforscher zu COP30: Umsetzungsprojekte statt großer Erklärungen

Die Zeit großer Schlusserklärungen bei Weltklimakonferenzen ist vorbei, findet der deutsche Klimafolgenforscher Ottmar Edenhofer. Um die Erderwärmung zu bremsen, seien jetzt kleinere Projekte sinnvoll, bei denen weniger Länder, aber mit konkreten Zielen zusammenarbeiten. Wir sprachen mit Edenhofer, Direktor und Chefökonom des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung.

Herr Edenhofer, die Reaktionen auf den Klimagipfel sind überwiegend negativ. Gibt es aus Ihrer Sicht etwas an der COP30, das sich retten lässt? 

Edenhofer: Gemessen an dem, was hätte erreicht werden müssen, ist das Ergebnis der COP in der Tat mager. Allerdings muss man sagen, dass die Zeit vorbei ist, in der eine Weltklimakonferenz im Kern darin besteht, dass man Abschlusserklärungen macht. Wir müssen jetzt in eine neue Phase eintreten. Und diese neue Phase muss sein, dass es belastbare Umsetzungsprojekte gibt. Das scheint mir ist die Herausforderung für die künftigen Weltklimakonferenzen. 

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Beim COP30
Beim COP30   (AFP or licensors)

Umsetzungsprojekte: Wie könnte und sollte das aussehen? 

Edenhofer: Es gibt schon ein Beispiel - den Regenwaldfonds. Der würde auch funktionieren, wenn nicht alle 194 Staaten mitmachen würden. Da würde eine kleinere Koalition von Staaten genügen, um einen solchen Regenwaldfonds aufzusetzen und eben dann Regenwaldschutz im großen Maßstab zu finanzieren. Eine ähnliche Möglichkeit wäre gegeben, wenn etwa die Europäische Union mit China zusammen eine kleine Gebühr auf Öl- und Gasimporte erheben würde. Das würde nach unseren Rechnungen bis zu 44 Milliarden pro Jahr einbringen. Diese Mittel könnten in einen Fonds eingespeist werden, der dann in Schwellenländern andere Länder finanziert, um Öl- und Gasverbrauch und Öl- und Gasimporte zu reduzieren.

Welche Effekte hätte das?

Edenhofer: Das hätte zwei Effekte. Der eine Effekt wäre, dass damit Öl- und Gasimporte für Entwicklungsländer billiger werden. Aber es hätte auch den Effekt, dass Emissionen reduziert werden würden. Und damit hätte man auch einen Klimaeffekt. Das wären Projekte, die in einer kleineren Koalition möglich wären. Und man könnte sich in der Zukunft vorstellen, dass auf einer solchen Weltklimakonferenz solche Projekte angekündigt werden und dann im nächsten Jahr evaluiert werden. Dann kann man immer noch über Abschlusserklärungen verhandeln. 

„Multilateralismus nicht kleinreden“

Das klingt vernünftig und rrealisierbar. Auf der anderen Seite drängt sich der Verdacht auf, das bleibt dann ein solches Stückwerk, dass es mittelfristig nicht den erwünschten Effekt haben kann. 

Edenhofer: Wir haben ja jetzt zehn Jahre seit der Paris-Konferenz damit verbracht, auf den internationalen Konferenzen über die großen Abschlusserklärungen zu verhandeln. Und wie gesagt, das darf man nicht missachten. Es ist ja immerhin so, dass die Weltklimakonferenz im Augenblick das einzige multilaterale Forum ist, das noch funktioniert, trotz des Ausstiegs der Vereinigten Staaten. Und es ist ja auch so, dass die Abschlusserklärung, die jetzt vorliegt, immerhin Länder wie Russland und Ukraine unterschrieben haben oder dem zugestimmt haben. Also man darf diesen Multilateralismus nicht kleinreden. Aber der Multilateralismus wird uns auch nicht dorthin bringen, dass wir den Anstieg der globalen Mitteltemperatur auf unter zwei Grad oder in einer Größenordnung von 1,5 Grad begrenzen. Natürlich klingt es nach Flickwerk - aber kleine belastbare Schritte, die sich hochskalieren lassen, sind besser, als jetzt nochmal eine Dekade mit Verhandlungen zu verbringen, die in der Substanz nicht dazu führen, dass die weltweiten Emissionen sinken werden.

Papst Franziskus hat 2015 vor der Pariser Klimakonferenz mit der Enyzklika Laudato Si' die Verantwortung für die Schöpfung neu und sehr kraftvoll ins päpstliche Lehramt geholt. Die Enyzklika wurde damals aufmerksam zur Kenntnis genommen. Wie sehen Sie die Stimme der Kirche im Punkt Klimaschutz zehn Jahre nach „Laudato Si“, wie war sie in Belem vernehmbar?

Edenhofer: Die Stimme der Kirche und der Kirchen ist sehr viel schwächer geworden. Bei der Paris-Konferenz spielte damals auch die vatikanische Delegation bei den Verhandlungen durchaus eine wichtige Rolle. Sie hat geholfen, Blockaden zu lösen. Das war damals schon ein sehr kraftvolles Dokument und dem folgten dann eben auch entsprechende diplomatische Initiativen. Jetzt bei der COP 30 war von den Kirchen sehr, sehr wenig zu vernehmen. Es hat immerhin von regionalen Bischofskonferenzen eine gemeinsame Erklärung gegeben. Aber das spielte, um offen zu sein, in den Verhandlungen nur eine sehr, sehr geringe Rolle. 

„Es gibt nur eine Möglichkeit, diese Temperaturkurve wieder zurückzubiegen“

Was muss jetzt unmittelbar gelingen, damit diese kleineren Projekte multilateraler Art gut starten und an ein Ziel kommen können? Was sind die nächsten Schritte? 

Edenhofer: Ich glaube, es gibt auch ein Ergebnis der COP, das in der Öffentlichkeit kaum zur Kenntnis genommen worden ist. Man hat ja zumindest jetzt anerkannt, dass man die 1,5 Grad-Schranke der Erderwärmung überschreiten wird. Und es gibt nur eine Möglichkeit, diese Temperaturkurve wieder zurückzubiegen: Das sind Technologien, die CO2 aus der Atmosphäre ziehen, das heißt in der Fachsprache Carbon Dioxide Removal Technologien. Das war bis vor wenigen Jahren in den Verhandlungen umstritten. Da gibt es jetzt einen Konsens, also es müssten Investitionen in diese Bereiche auch getätigt werden. Aus meiner Sicht sind kleine, belastbare Schritte, die aber tatsächlich getan werden, sehr viel hoffnungsstiftender als vage Abschlusserklärungen.

Das Interview führte Gudrun Sailer.

(vatican news – gs)

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24. November 2025, 11:51