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Die Statue von John Henry Newman im Brompton Oratory in London Die Statue von John Henry Newman im Brompton Oratory in London

Kirchenlehrer Newman: Wahrheitssucher mit Weitblick

John Henry Newman war ein Mann seiner Zeit - und zugleich seiner Zeit weit voraus. Im England des 19. Jahrhunderts wirkte er als Denker und Schriftsteller – und sprach doch in einer Weise, die das Zweite Vatikanische Konzil ein Jahrhundert später beeinflussen sollte. Diesen Samstag hat ihn Papst Leo XIV. zum 38. Kirchenlehrer ernannt. Wir haben mit der Londoner Buchautorin und Historikerin Joanna Bogle über ihren Landsmann gesprochen.

Silvia Kritzenberger - Vatikanstadt

„Warum verdient es John Henry Newman, Kirchenlehrer zu werden? Kurz gesagt: Sein enormer Einfluss auf das Zweite Vatikanische Konzil,“ kommentiert Joanna die große Ehre, die ihrem Landsmann diesen Samstag zuteil wurde. „Er war eine prophetische Stimme aus dem England des 19. Jahrhunderts – und zugleich ein Mensch der Moderne, vertraut mit Eisenbahn und Reisen. Doch er sprach gleichsam zu diesem großen Konzil, das hundert Jahre später stattfand, in den 1960er-Jahren. In gewisser Weise war er auf höchster Ebene eine der zentralen Quellen der Inspiration für das Zweite Vatikanische Konzil.“

Die Gedenkplatte zum Besuch Papst Benedikt XVI.  in Westminster, London
Die Gedenkplatte zum Besuch Papst Benedikt XVI. in Westminster, London

Was ihn von den anderen 37 Kirchenlehrern abhebe, sei vor allem seine außergewöhnliche Klarheit im Denken und Schreiben, so Joanna.

„Newman schrieb ein wunderschönes Englisch – heute vielleicht etwas altmodisch, aber noch immer absolut verständlich und sehr gut lesbar. Er hatte eine klare, geordnete Denkweise und einen eleganten Stil. Sein Ziel war es, zu überzeugen, die Menschen für den Glauben zu gewinnen – nicht, sie zu belehren oder zu verurteilen. Er hob nie drohend den Finger und er hätte mit Sicherheit nie befürwortet, dass jemand als Ketzer verbrannt wird. Diese Mischung aus Sanftmut und Klarheit zeichnete seinen Stil aus.“

Hier zum Nachhören

 

Die Rolle der Laien...

Besonders bemerkenswert sei auch Newmans Verständnis für die Rolle der Laien gewesen. Mit dem für ihn charakteristischen Weitblick hatte er deren Bedeutung schon zu seiner Zeit erkannt.

„Wahrscheinlich war die bedeutendste Lehre Newmans, die bis heute Einfluss auf die Kirche hat, seine Sicht auf die Rolle der Laien. Zu seiner Zeit neigten viele Kleriker dazu zu sagen, die Laien sollten stillsitzen, gehorsam sein, ein bisschen Wohltätigkeit üben – und ansonsten schweigen. Sie wurden oft herabgesetzt oder gar verspottet. Als Newman einmal mit Priestern sprach, die abfällige Bemerkungen über die Laien machten, sagte er: „Ohne die Laien würde die Kirche ziemlich töricht dastehen!“ Er hatte erkannt, wie wichtig die Laien in ihrem Wirkungsbereich für das Leben der Kirche sind. Er gründete die Oratory School, um katholische Männer auf das öffentliche Leben vorzubereiten. Newman hatte verstanden, dass die Laien eine eigenständige und unverzichtbare Rolle in der Kirche spielen – und wahrscheinlich ist genau das der größte und nachhaltigste Beitrag seines Denkens für die Kirche bis heute.“

Den Glauben nicht für sich behalten

Seine Botschaft für heute ist klar: Der Glaube ist keine Privatsache, er muss mit anderen geteilt werden. Eine Botschaft, die sich vor allem an junge Leute richtet...

„Seine wichtigste Botschaft für unsere Zeit ist: Wir müssen den Glauben weitergeben,“ so Joanna. „Der Glaube ist nichts Privates, kein persönliches Hobby. Newman war ein Lehrer der Wahrheit. Er suchte leidenschaftlich nach der Wahrheit – und als er sie in der katholischen Kirche gefunden hatte, wollte er sie leben und verkünden. Seine Botschaft ist heute besonders aktuell, gerade für junge Menschen: Lehrt den Glauben. Kennt ihn nicht nur aus eurem eigenen Leben, sondern gebt ihn auch weiter. Seid Katechisten, seid Lehrer, verkündet den Glauben. Lehrt ihn. Lebt ihn nicht einfach nur für euch, macht ihn nicht zur Privatsache!“

Die Londoner Buchautorin und Historikerin Joanna Bogle
Die Londoner Buchautorin und Historikerin Joanna Bogle

Auch Papst Benedikt XVI., der Newman 2010 in seiner englischen Heimat seliggesprochen hat, sah in Newman ein Vorbild. Beide teilten die Überzeugung, dass eine gründliche Kenntnis des Glaubens von grundlegender Bedeutung sei.

„Newmans berühmtes Zitat lautet: „Ich wünsche mir Laien, nicht arrogant, nicht vorlaut, nicht streitsüchtig, sondern Menschen, die ihr Glaubensbekenntnis so gut kennen, dass sie darüber Rechenschaft ablegen können.“ Auch Papst Benedikt hat dies zutiefst verstanden. Er war selbst in schwierigen Zeiten aufgewachsen, als Jugendlicher im Zweiten Weltkrieg, und wusste um die Notwendigkeit, den Glauben zu kennen. Als Papst sprach er dann so klar und überzeugend. Ich kann mir gut vorstellen, dass sie im Himmel die wunderbarsten Diskussionen führen.“

Wäre Newman heute noch unter uns, würde er die Vielfalt der Traditionen in seiner Heimat begrüßen – und doch den Blick auf Rom richten:

„Schaut, die anglikanische Kirche hat Schönes hervorgebracht, es gibt dort eine wundervolle Tradition. Aber kommt heim, kommt nach Rom, und bringt dabei einige eurer schönen anglikanischen Traditionen und Hymnen mit... So ungefähr würde er es, denke ich, im heutigen Großbritannien ausdrücken,“ ist sich Joanna sicher.

"Catholic Historic Walks" mit Joanna Bogle

Joanna Bogle bietet regelmäßig Spaziergänge auf den Spuren der katholischen Geschichte Londons an, die für alle offen sind. Die Termine werden online und über katholische Pfarreien bekannt gegeben. Wer an einem dieser Spaziergänge teilnehmen oder für eine eigene Gruppe einen Termin vereinbaren möchte, kann sich an Joanna wenden unter: catholichistorywalks@gmail.com

(Vaticannews – skr)


 

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01. November 2025, 14:26