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Trauernde in der Messe, die von Dar es Salaams Erzbischof Jude Thaddeus Rwa’ichi für die Opfer der Proteste gefeiert wurde Trauernde in der Messe, die von Dar es Salaams Erzbischof Jude Thaddeus Rwa’ichi für die Opfer der Proteste gefeiert wurde  (AFP or licensors)

Gewalt in Tansania: Kirche arbeitet für Frieden und Heilung

Nach den gewaltsamen Unruhen im Anschluss an die tansanischen Parlamentswahlen im Oktober hat die katholische Kirche eine führende Rolle bei der Trauerbegleitung und dem Aufruf zur nationalen Versöhnung übernommen. Doch die Wunden, die die Gewalt hinterlassen hat, werden noch lange schmerzen, befürchten Einwohner.

Christine Seuss und Kielce Gussie - Vatikanstadt

„Tansania war unter den Nationen Afrikas schon immer als das einzige Land bekannt, in dem es nie einen Krieg gegeben hat. Auch die Unabhängigkeit, die 1961 erlangt wurde, geschah auf diplomatischem Weg. In Tansania ist nie Blut vergossen worden, und genau darauf war das Land bis gestern stolz“, berichtet diese Frau, deren Name aus Sicherheitsgründen nicht veröffentlicht wird, im Gespräch mit Radio Vatikan. Genau deshalb sei diese „barbarische und unmenschliche Reaktion“ auf die zunächst friedlichen Proteste so erschütternd, meint sie spürbar fassungslos: „Junge Menschen zu töten, die lediglich protestieren, um gehört zu werden, um Raum zu haben, und sie dann auch noch grundlos zu ermorden. Man kann sie bestrafen, wenn sie sich nicht auf die richtige Weise ausgedrückt haben, aber sie zu töten, widerspricht zutiefst dem Wesen Tansanias.“

In ihrer eigenen Erfahrung in Tansania habe sie immer ein offenes und hilfsbereites Volk kennengelernt, so die Frau, die sich selbst erst in dem Land einleben musste und vor allem während ihrer ersten Jahre oft Hilfe bei kleinen Dingen gebraucht - welche sie stets auf freundliche und unkomplizierte Weise auch erhalten habe. Das Wohl der Gemeinschaft stehe über eigensüchtigen Interessen, das sei das Tansania, das sie kannte, meint unsere Interviewpartnerin.

„Was jedoch seit dem 29. Oktober (dem Tag der Wahlen, Anm.) geschehen ist, hat eine tiefe Wunde geschlagen, denn die Menschen fühlen sich in dieser Art des Regierens nicht mehr vertreten. Das ist gefährlich, auch weil diese Situation nicht plötzlich entstanden ist – seit Monaten breitete sich Unzufriedenheit aus. Die Ereignisse des letzten Jahres – das Verschwinden und die Ermordung von Oppositionsvertretern – haben all die Wut angehäuft, die sich jetzt entladen hat.“

Unregelmäßigkeiten und Gewalt schon vor den Wahlen

Mit offiziell 98 Prozent Zustimmung war die amtierende Präsidentin Samia Suluhu Hassan nach den Wahlen im Amt bestätigt worden. Voraus gingen Monate, in denen die einst als Hoffnungsträgerin angetretene Präsidentin nicht nur parteiinterne Kritiker ausgeschaltet hat, sondern auch mit gezielten Entführungen, Verhaftungen und sogar brutalen Morden an Oppositionskandidaten in Verbindung gebracht wurde. Doch vor allem junge Menschen wollten das Wahlergebnis nicht hinnehmen und bei friedlichen Protesten ihre Stimme hören lassen. Allerdings eskalierte die Situation schnell:

„Man muss auch die Wahrheit sagen: Als die ersten Schüsse auf junge Demonstranten fielen, reagierten manche von ihnen, indem sie Regierungsgebäude, Tankstellen und Polizeibüros anzündeten. Es war eine verständliche Reaktion in einer solchen Situation, denn die Demonstrationen begannen völlig friedlich, und die Polizei eröffnete das Feuer auf Jugendliche, die nur auf der Straße gingen. Die Zahl der Opfer steht in keinem Verhältnis zu den Ereignissen selbst, und diese Wunde wird lange brauchen, um zu heilen.“

Trauer am Sarg einer unbeteiligten Frau, die bei den Protesten ums Leben gekommen ist.
Trauer am Sarg einer unbeteiligten Frau, die bei den Protesten ums Leben gekommen ist.   (AFP or licensors)

Hunderte Menschen könnten der Gewalt zum Opfer gefallen sein, befürchten Oppositionsvertreter. Belastbare Zahlen über Todesopfer bei den Protesten sind noch nicht veröffentlicht worden, allerdings zirkulieren authentische Videos und Fotos, auf denen zahlreiche Leichen auf den Straßen und an improvisierten Aufbahrstellen zu sehen sind. Auch international ist das Handeln der Regierung, das in krassem Gegensatz zum bisher geradezu glänzenden Ruf des Landes in Punkto Demokratie und Friedensförderung steht, scharf verurteilt worden. In ungewöhnlicher Deutlichkeit hatten beispielsweise die Afrikanische Union und die Entwicklungsgemeinschaft des südlichen Afrikas (SADC) festgestellt, der Wahlsieg Samias entspreche keinesfalls demokratischen Standards. Eine entscheidende Rolle in dieser verfahrenen Situation könne die Kirche spielen, zeigt sich unsere Interviewpartnerin überzeugt:

„Denn wenn es darum geht, Wunden zu heilen, dann ist das eine der Aufgaben, die Jesus seiner Kirche anvertraut hat. Es geht dabei nicht nur um körperliche Wunden, sondern auch um diese tiefen gesellschaftlichen Spaltungen. Die Kirche muss sich den Raum nehmen, Vermittlung zu leisten – denn dieser Heilungsprozess wird nicht kurz sein.“

Zahlreiche Messen 

In zahlreichen Messen im ganzen Land wurde unterdessen der Toten gedacht und für Frieden gebetet. In Daressalam hatte Erzbischof Jude Thaddeus Rwa’ichi bei einer besonderen Messe am Sonntag das Blutvergießen beklagt und erklärt, dass diese Gewalt „nicht das wahre Gesicht Tansanias“ widerspiegele. Er beschrieb die Nation als „verwundet“ und ihrer Würde beraubt und betonte, dass das Töten von Demonstranten oder Zivilisten „ein Gräuel vor Gott“ sei. Er rief dazu auf, über Gerechtigkeit und Weisheit nachzudenken, da echter Frieden nur auf wahrer Gerechtigkeit gegründet werden könne.

Zur gleichen Zeit leitete Erzbischof Gervas Nyaisonga in Mbeya eine weitere Messe mit sechs Hauptanliegen: Gebet für die Verstorbenen, die Verletzten, die Vermissten, für jene, die ihr Eigentum verloren haben, für eine nationale Gewissenserforschung sowie für Heilung. Er rief zu Vergebung und Mut auf und forderte die Gläubigen auf, das Land „als tapfere Menschen“ wiederaufzubauen. An die Verantwortlichen appellierte er, Demut zu zeigen, da wahre Stärke in der Anerkennung liege, dass „niemand die Stelle des Allmächtigen einnehmen kann“.

Auch in anderen Teilen des Landes hatte die Kirche die Gläubigen zum Gebet für Versöhnung, Gerechtigkeit und Frieden eingeladen.

(vatican news)

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11. November 2025, 13:49