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Am 14. Dezember 1995 wurde das Abkommen von Dayton in Paris unterzeichnet Am 14. Dezember 1995 wurde das Abkommen von Dayton in Paris unterzeichnet 

Bosnien: Stabiler Frieden 30 Jahre nach dem Dayton-Abkommen?

Vor genau 30 Jahren (am 14.12.1995) wurde mit dem sogenannten Dayton-Abkommen der Krieg in Bosnien-Herzegowina beendet. Über 100.000 Menschen kamen im Bürgerkrieg ums Leben. Auch nach dem Dayton-Abkommen, das mit Hilfe westlicher Staaten zustande kam, richten sich immer wieder sorgenvolle Blicke auf den kleinen Staat auf dem Balkan.

Wie stabil ist der Friede dort? Konnten die religiösen Konflikte, die während des Bosnienkrieges eine große Rolle spielten, beigelegt werden? Michael Hermann sprach am Rande einer Tagung in der Katholischen Akademie Stuttgart mit Experten.

Muhamed Jugo lebt in Sarajevo. Im Volksmund wird die Hauptstadt von Bosnien-Herzegowina auch das Jerusalem des Ostens genannt, weil dort die drei großen monotheistischen Religionen gleichermaßen präsent sind. Innerhalb der Islamischen Gemeinschaft in Bosnien-Herzegowina (kurz Riyaset) ist Jugo für die Auslandsbeziehungen zuständig. In Sarajevo erinnern die Einschlusslöcher der Sniper, der Heckenschützen, an vielen Häusern noch immer an den furchtbaren Krieg zwischen Serben und Bosniaken. Und die Menschen leben auch heute in Sorge und Angst, sagt Jugo: „.Tagtäglich wird gedroht, die Republica Srpska an Serbien anzuschließen. Das ist für uns sehr gefährlich, denn wir wissen nicht, wie dieses Szenario der Spaltung abläuft, was dies für uns bedeutet. Die Situation ist sehr schwer.“

Hier hören Sie den Bericht von Michael Hermann

Die Republica Srpska - eine Art teilautonome Republik innerhalb des komplizierten Gebildes Bosnien-Herzegowina, serbisch und damit orthodox geprägt, freundschaftlich verbunden mit dem Staat Serbien und an guten Beziehungen zu Russland interessiert. Dort musste Präsident Milorad Dodik nach einer Verurteilung sein Amt aufgeben. Aber auch seine Nachfolgerin macht immer wieder klar, wie wenig man dort von Bosnien und dem Dayton-Abkommen hält.

Der damalige US-Präsident Clinton mit den Führern Serbiens, Bosniens und Kroatiens
Der damalige US-Präsident Clinton mit den Führern Serbiens, Bosniens und Kroatiens   (ANSA)

Wie der Schaltplan einer überdimensionalen Maschine

Die grafische Darstellung des bosnischen Regierungssystems mit seinen zehn Kantonen, mit seinen ethnisch und religiös bedingten checks and balances und mit der Republica Srpska – sie sieht aus wie der Schaltplan einer überdimensionalen Maschine. „Es ist so kompliziert, auch mit den verschiedenen Kompetenzen, die den einzelnen Institutionen zugestanden worden sind, dass es eher zentrifugale Wirkung hat als eine verbindende im Sinne eines Gesamtstaats.“ Das sagt Professor Stefan Schreiner von der Universität Tübingen. Der Religionswissenschaftler ist Experte für die Geschichte des Vielvölkerstaats. „Eines der Grundprobleme ist die merkwürdige Identifikation von Ethnizität, Religiosität und parteipolitischer Zugehörigkeit. Und danach werden auch politische Entscheidungen getroffen. (…) Da ist von Zusammengehörigkeit eines Vielvölker-Gebildes kaum etwas spüren. Und solange das der Fall ist, dass diese religiösen Identitäten mit den ethischen und politischen Identitäten gleichgesetzt werden, wird es keine Lösung geben können.“

Auch Armina Omerika, Professorin an der Universität Frankfurt, meint, dass die tieferen Konflikte, die zum Bosnienkrieg führten, bis heute vorhanden sind: „Das geht auch darauf zurück, dass dieses Post-Dayton-System diese Konflikte nicht aufgehoben hat, sondern im Gegenteil sie mittlerweile viel stärker auftreten: nationalistische Rhetorik, Abspaltungsrhetorik – das weckt in Menschen, die das durchgemacht haben und die Erinnerungen an den Krieg immer noch sehr präsent wahrnehmen, natürlich Ängste, dass Krieg und gewaltsame Auseinandersetzungen wieder aufbrechen könnten.“

Blick auf Sarajewo
Blick auf Sarajewo


Widersprüchliche Tendenzen

Omerika hofft, dass die Vertreter der Kirchen und Religionsgemeinschaften auf Politik und Gesellschaft einwirken, damit Bosnien stabil bleibt. „Dies hängt zum einen davon ab, ob sich religiöse Akteure auf den universellen humanistischen Auftrag der Religionen zurückbesinnen, tatsächlich für ein friedliches soziales Miteinander zu agieren, oder ob sie die partikularen nationalistischen Tendenzen weiter unterstützen. Die Tendenzen gehen im Moment in beide Richtungen - je nachdem, wohin sie schauen. Es gibt das ganze Spektrum, das vorhanden ist.“

Muhammed Jugo wünscht sich das ebenso, gibt aber zu bedenken: „Ob das einen Effekt hat, wissen wir nicht. Die Politik hat die Macht.“

(vatican news)

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12. Dezember 2025, 14:13