Brasilien: Bayerische Ordensfrau setzt sich als Anwältin für Gefangene ein
Mario Galgano - Vatikanstadt
Ihre Berufung zur Gefängnisseelsorge fand Schwester Pfaller in Brasilien, wo sie die Not und das Leid der Menschen sah. Das größte Problem identifizierte sie im fehlenden Zugang zum Recht: „Ich habe gemerkt, dass die Menschen keinen Zugang zum Recht, zu ihrem Recht haben. Und ich dachte mir also, es wäre wirklich ein Auftrag der Kirche, dass die Menschen zu ihrem Recht kommen.“
Überfüllung und fehlende Grundrechte
Die Realität der brasilianischen Gefängnisse beschreibt Schwester Pfaller, die für ihre Arbeit viel im Land reist, als desolat. Sie spricht von extrem überfüllten Haftanstalten: „Gefängniszellen mit acht Betten, mit 15, 16, 20 Leuten mit schlechter Ernährung, Schwierigkeiten im Gesundheitswesen. Also fast gar nichts.“
Besonders betroffen seien arme, junge und schwarze Brasilianer, die auf Pflichtverteidiger angewiesen sind, von denen es zu wenige gibt. Dies führe zu Prozessen, die sich „von sechs Monaten bis fünf Jahre“ hinzögen. Oftmals säßen die Angeklagten die gesamte Strafe ab, noch bevor das Urteil überhaupt gesprochen wird.
Evangelisierung beginnt mit dem Zuhören
Die Frohe Botschaft fange in diesem schwierigen Umfeld nicht mit dem Missionieren an, sondern mit der reinen Präsenz, so Pfaller:
„Die Frohe Botschaft beginnt, wenn man den Besuch macht. Einfach besuchen, da sein, nicht zu fragen, was der Mensch getan hat, wo er herkommt. Einfach ein Besuch.“
Der nächste Schritt sei das Zuhören, ohne zu urteilen. Die Gefängnisseelsorge arbeite dabei überkonfessionell, sei bereit, „mit allen zu reden.“ Die zweite große Priorität sei die Arbeit für die Menschenwürde, bei der die Kirche eine Rolle als Anklägerin einnehme: „Ich glaube, ich kenne keine andere Kirche, die diese unwürdigen Situationen im Gefängnis anklagen.“
Vergebung als „schwierigstes Gebot“
Immer wieder werde der Gefängnisseelsorge vorgeworfen, die Opfer aus dem Blick zu verlieren. Schwester Pfaller räumt ein, dass im brasilianischen Recht das Opfer nicht ausreichend anerkannt werde. Sie versuche daher, mit Opfer und Täter zusammenzuarbeiten, wie es die „Wiedergutmachtung der Gerechtigkeit“ (Restorative Justice) vorsieht.
Dieser Weg sei oft lang und schmerzhaft, aber notwendig: „Diese Menschen zu begleiten auf einen anderen Weg und nicht nur der muss ins Gefängnis. Und damit ist die Sache erledigt. Damit ist die Sache nicht erledigt.“
Für Christen sei gerade hier der Glaube gefordert: „Ich glaube, es ist eines der schwierigsten Gebote, zu verzeihen. Und vor allem, wenn es so schmerzhafte Erfahrungen sind.“ Rachegefühle vernichteten die Menschen. Die Begleitung der Betroffenen sei ein langer Weg der Befreiung für beide Seiten.
Ein Appell gegen Vorurteile
An die Menschen im deutschen Sprachraum richtet Schwester Pfaller einen dringenden Appell, den sie aus ihrer Arbeit gewonnen hat:
„Was mich sehr berührt, ist eben jetzt durch sind viele Kriege hier, immer wieder viele Ausländer. Man hört, dass es auch viel Kritik durch die Ausländer, diese Präsenz und diese Vorurteile und ich habe im Gefängnis gelernt: Der erste Schritt ist zu hören.“
Das Vorverurteilen sei eine sehr gefährliche Sache, die nichts mit dem christlichen Glauben zu tun habe. Jesus habe zugehört und mit den Menschen gesprochen. Wenn man wirklich zuhöre, könne Empathie entstehen, die es ermögliche, ein friedliches Miteinander zu schaffen.
Abschließend betonte sie, die Gefängnisseelsorge lebe Matthäus 25 („Ich war gefangen und du hast mich besucht“): Sie seien privilegiert, da sie Jesus in den hungernden, kranken und einsamen Gefangenen begegneten und ihnen durch einfache Hilfen wie Zahnpasta, Seife und Begleitung zur Seite stünden.
(vatican news)
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