Österreich: Jesuit sieht Judentum als Schlüssel des Christseins
Das Judentum ist untrennbar mit dem christlichen Glauben verbunden, dennoch wäre es falsch zu denken, es verstehen zu können, nur weil man das Alte Testament gelesen hat, sagt der Schweizer Jesuit und Judaist Christian Rutishauser. Im Interview mit der Wiener Kirchenzeitung „Der Sonntag“ unterstreicht er, dass für das Christsein die Auseinandersetzung mit dem Judentum heute unerlässlich sei.
Das Judentum habe eine tiefe und lange Tradition, „Juden wollen in ihrem Selbstverständnis wahrgenommen werden“, betont der Jesuit und schlussfolgert, dass ein Verständnis des Judentums und die Erneuerung des christlichen Glaubens Hand in Hand gingen. Oft werde im kirchlichen Alltag die Beziehung zum Judentum vernachlässigt. „Es ist nicht angekommen, dass das Judentum ein Querschnittsthema für das Christsein darstellt“, dabei begegne man in jedem Evangelium und jedem Gottesdienst Juden, so Rutishauser. „Jesus kommt aus einer jüdischen Familie; Maria war eine jüdische Mutter, Mirjam; alle Jünger und auch Paulus sind Juden.“ Die neutestamentlichen Schriften sind laut Rutishauser jüdisch-messianische Texte ihrer Zeit. Christlich geworden seien sie erst im zweiten Jahrhundert, als diese Texte zur christlichen Bibel zusammengestellt wurden.
Prozess muss weitergehen - Lob für Nostra aetate
Die Forschung habe Enormes geleistet, „sodass wir heute sehen, wie sich Judentum und Christentum erst in einem jahrhundertelangen Prozess ausdifferenziert haben.“ Als ersten Schritt zu einem tieferen Verständnis des Judentums nennt der Judaist das vierte Kapitel der Konzilserklärung „Nostra aetate“, die vor 60 Jahren veröffentlicht wurde. „Jeder Gläubige sollte diese Zeilen kennen. Sie sind die Magna Charta des jüdisch-katholischen Dialogs“, so der Jesuit. Dort stehen bleiben dürfe man trotzdem nicht, gerade in der Ausbildung von Seelsorgenden, Religionslehrern und Religionslehrerinnen, Priestern und kirchlichen Mitarbeitern dürfe Judaistik als Studienfach keine Randnotiz bleiben, schließlich sei die Theologie in der Exegese und in der Gottesfrage nicht mehr wegzudenken.
Ein Symposium zu dem Dokument will mit Missverständnissen, problematischen Deutungen und negativen Stereotypen in der katholischen Liturgie aufräumen. Unter dem Titel „Gepriesen sei der G'tt Israels“ findet das zweitägige Treffen am 29. und 30. September in Salzburg statt.
Schritt zur Erneuerung
Die Erklärung „Nostra aetate“ aus dem Jahr 1965 gilt als eine der wichtigsten Erklärungen des Zweiten Vatikanischen Konzils. Sie ist Richtschnur im interreligiösen Dialog und bleibt wegweisend für die Anerkennung anderer Religionen und deren Wahrheitsanspruch. Vor allem der Islam und das Judentum spielen darin eine herausgehobene Rolle. Die katholische Kirche sagt in dem Dokument zu, dass auch in anderen Kirchen Wahrheit und Heil zu finden sind.
(kap - lyk)
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