Der Trierer Dom Der Trierer Dom 

D: Trierer Missbrauchs-Studie belastet Bischöfe

Ein neuer Missbrauchsbericht - und wieder stehen katholische Bischöfe in der Kritik: Kardinal Reinhard Marx, von 2001 bis 2008 Bischof von Trier und heute Erzbischof von München und Freising, sowie der amtierende Trierer Bischof Stephan Ackermann.

Sie hätten nicht alles getan, um Missbrauchsfälle transparent aufzuklären, lautet das Fazit einer am Donnerstag in Trier präsentierten Studie. Demnach wurden im Untersuchungszeitraum bis 2021 insgesamt 37 Beschuldigte (21 unter Marx, 16 unter Ackermann) und mindestens 59 Betroffene (35 unter Marx, 24 unter Ackermann) im Bistum ermittelt.

Besonders kritisch sehen die Autoren die Zeit unter Bischof Marx: Bei der Fürsorge für die Betroffenen lasse sich „lediglich das Versagen der Bistumsleitung konstatieren“. Die Anzeige- und Informationspflicht gegenüber Staatsanwaltschaft und übergeordneten Kirchenbehörden sei vernachlässigt worden. „Ein selbstkritischer Blick auf die eigenen kirchlichen Strukturen fehlte“, schreiben die Wissenschaftler.

Kritik gibt es auch an staatlichen Stellen. Unter anderem berichten die Autoren von einer „Absprache zweier Behörden mit negativen Folgen: Zum einen wurde eine strafrechtliche Überprüfung vermieden und zum anderen wurde das Umfeld nicht über den Vorfall informiert“. Das Bistum und das Bildungsministerium des Saarlandes verständigten sich laut Darstellung darauf, einem gemeldeten Fall ohne entsprechende Anzeige der Eltern nicht nachzugehen.

Kardinal Marx und Bischof Ackermann
Kardinal Marx und Bischof Ackermann   (AFP or licensors)

Kritik an Kommunikation der Staatsanwälte

„Auch die Strafverfolgungsbehörden kommunizierten nur unzureichend“, stellen die Forscher fest. Staatsanwaltschaften in Trier sowie Saarbrücken hätten in verschiedenen Fällen das Bistum nicht über ihre Entscheidungen informiert. „Eine routinierte Form der Kommunikation zwischen den örtlich zuständigen Staatsanwaltschaften und dem Bistum hinsichtlich der Meldung von bekanntgewordenen Fällen sexualisierter Gewalt entwickelte sich erst nach 2010.“

Positiver sehen die Forscher die Zeit unter Bischof Ackermann zwischen 2010 und 2021. Der Umgang der Bistumsverwaltung mit Fällen sexualisierter Gewalt sei professionalisiert worden. Die „institutionelle Öffentlichkeit“ sei wesentlich größer gewesen. Demnach war Ackermann bei allen neuen Fällen an der Bearbeitung beteiligt.


Medien, die für Aufklärung sorgen

Das Thema sexueller Missbrauch an Kindern und Jugendlichen durch Priester und Bistumsbedienstete sei tatsächlich Chefsache geworden, heißt es. Der Pflicht zur Aufklärung des Sachverhaltes aller neu gemeldeten Fälle kam das Bistum in 15 von 16 Fällen nach. In einem Fall wurde eine Meldung - nach Prüfung - nicht weiterverfolgt.

Systematische Fehler fänden sich jedoch in beiden Amtszeiten: „Die Fürsorgepflicht für die Täter wurde höher gewichtet als das öffentliche Sicherheitsbedürfnis“, bilanzieren die Wissenschaftler. Sie sprechen generell von Versäumnissen in der Personalführung. Den Bischöfen werfen sie mangelnde Transparenz vor: „Vielfach übernahmen die Medien die Aufklärung, die das Bistum hätte leisten müssen.“ Eine unzureichende Aktenführung und Informationsweitergabe werden ebenfalls kritisiert.


Risiko für Kinder gesunken

Es gebe aber auch positive Entwicklungen. So sei die Zahl betroffener Kinder und Jugendlicher im Untersuchungszeitraum deutlich gesunken. Das Risiko für katholische Kinder, Opfer sexueller Übergriffe zu werden, habe sich in den zurückliegenden drei Jahrzehnten halbiert. Seit 2010 spiele Fürsorge für Betroffene eine „zentrale Rolle im Rahmen der institutionellen wie individuellen Aufarbeitung“. Strukturen mit Ansprechpersonen und Fachgremien seien eingerichtet.

Die Wissenschaftler werteten für den rund 140-seitigen Bericht fast 1.300 Aktenbände aus und führten 30 Gespräche. Insgesamt gab es laut Studie in den vergangenen Jahrzehnten mindestens 734 Betroffene sexualisierter Gewalt. Zudem wurden für die Jahre 1946 bis 2021 insgesamt 246 Beschuldigte identifiziert, „die sich sexualisierter Gewalt schuldig gemacht haben, sowie zwei weitere Personen ausschließlich wegen Besitzes von Kinderpornografie“.

Reaktionen von Ackermann und Marx

Ackermann bat in einer ersten Reaktion auf die Studie Betroffene um Verzeihung für Fehler im Umgang mit Missbrauchsfällen. Es schmerze ihn, die Schilderungen des Berichts zu lesen: „Mindestens 24 Menschen, so sagt es die Studie, sind in meiner Amtszeit Opfer sexualisierter Gewalt geworden. Das ist schrecklich“. Ihn überkomme „Traurigkeit über das Geschehene“. Der Bericht zeige aber auch, „dass ich und meine Mitarbeitenden keinen dieser Fehler aus bösem Willen oder vorsätzlich begangen haben“ und dass ein „Lernprozess“ der Bistumsleitung im Umgang mit Missbrauchsfällen erkennbar sei.

Auch Kardinal Marx reagierte am Nachmittag mit einer Erklärung auf die Trierer Studie. Es schmerze ihn, „dass ich erkennen muss, in dieser Verantwortung nicht allen Menschen gerecht geworden zu sein, die meiner bischöflichen Sorge anvertraut waren“. Vor allem im Gespräch mit Betroffenen sei ihm im Lauf der Zeit „immer deutlicher geworden, dass ich in meiner Zeit als Bischof von Trier die Thematik sexualisierter Gewalt und sexuellen Missbrauchs nicht so umfassend und klar wahrgenommen habe, wie das angemessen gewesen wäre“.

Marx beteuert, er wolle auf dem Weg der Aufarbeitung und Prävention „konsequent“ weitergehen. „Auch das, was mich 2021 dazu bewogen hat, Papst Franziskus meinen Amtsverzicht anzubieten, und was ich damals und seither dazu geäußert habe, gilt nach wie vor.“

(kna/radio vatikan – sk)

Diese Meldung wurde um 14.50 Uhr aktualisiert.

 

Danke, dass Sie diesen Artikel gelesen haben. Wenn Sie auf dem Laufenden bleiben wollen, können Sie hier unseren Newsletter bestellen.

30. Oktober 2025, 11:53