Suche

Adventskranzbinden in der österreichischen St.-Georgs-Gemeinde in Istanbul Adventskranzbinden in der österreichischen St.-Georgs-Gemeinde in Istanbul  

Bericht unserer Korrespondentin: A bisserl Austria in Istanbul

Adventskränze, Platzerl und deutsche Weihnachtslieder in Istanbul? Ja, all das gibt es dort durchaus - nämlich in den deutschsprachigen christlichen Gemeinden. Insgesamt drei gibt es, zwei davon sind katholisch. Wir haben die von den Lazaristen geführte österreichische Gemeinde St. Georg im zentralen Galata-Viertel besucht.

Christine Seuss - Istanbul 

„Für mich ist es der erste Papstbesuch, den ich hier in der Türkei erleben darf“, gesteht uns P. Alexander Jernej. Der gebürtige Grazer ist seit 2015 Superior der Lazaristen in St. Georg in Istanbul. Die Apostolische Reise von Papst Franziskus im Jahr 2014 hatte er noch nicht miterlebt: „Deshalb blicke ich sehr gespannt auf diesen Besuch. Andere haben schon mehr Erfahrungen mit Papstbesuchen. Für mich ist es der erste und ich freue mich sehr darauf“, betont P. Alexander, dem die Freude ins Gesicht geschrieben steht, „vor allem auch im Bewusstsein, dass es die erste Auslandsreise des Heiligen Vaters ist, und er zu uns kommt. Natürlich wissen wir, dass er nicht in erster Linie oder hauptsächlich zu den Katholiken hier kommt, sondern da gibt es viele andere wichtige Punkte, die diesen Besuch ausmachen. Aber trotzdem, wir freuen uns einfach: Unser Oberhirte kommt zu uns!“

„Wir freuen uns einfach: Unser Oberhirte kommt zu uns!“

P. Alexander Jernej mit unseren Korrespondenten vor Ort, Christine Seuss und Christopher Wells
P. Alexander Jernej mit unseren Korrespondenten vor Ort, Christine Seuss und Christopher Wells

Unter den „wichtigen Punkten“, die der Lazaristenpater anspricht, rangiert ganz oben auf der Liste die Feier des 1.700. Jahrestags des Konzils von Nizäa. Doch ungeachtet der Spaltungen, die die Christenheit in späteren Jahrhunderten verwundet haben, sei die Ökumene in Istanbul „allen ins Stammbuch geschrieben“, bekräftigt P. Jernej: „Istanbul ist der Sitz des Ökumenischen Patriarchen und ich erinnere mich an einen Ausspruch eines Mitbruders, eines Priesters, der gesagt hat: ,Die Einheit der Christenheit muss hier beginnen und wir müssen dafür auch arbeiten.‘“

„[ Die Einheit der Christenheit muss hier beginnen und wir müssen dafür auch arbeiten ]

Große Hoffnung lege er in dieser Hinsicht auch in den nun erwarteten Besuch des Papstes: „Ich habe immer Hoffnung. Und es ist letztlich ein Geschenk des Heiligen Geistes, die volle Einheit, die wir erhoffen, zu bekommen. Und der Heilige Geist ist für Überraschungen gut…“

Österreichisches St. Georgs-Kolleg Istanbul (Realgymnasium und Handelsakademie)
Österreichisches St. Georgs-Kolleg Istanbul (Realgymnasium und Handelsakademie)

Eine ganz besondere Schule in Istanbul

In P. Alexanders Verantwortung liegt auch die österreichische Schule, die die Lazaristen vor rund 150 Jahren in Istanbul gegründet haben, ursprünglich für deutschsprachige Kinder aus zugezogenen Familien. Doch von Anfang an habe die Schule alle Kinder willkommen geheißen: „Und in Zeiten der türkischen Republik haben die Schüler mit türkischen Familien natürlich sehr zugenommen und es sind jetzt fast 99 Prozent Kinder aus türkischen Familien. Aber wir sind eine türkische Schule, in der der alle Schüler auch eine österreichische Matura machen können.“

„Wir sind eine türkische Schule, in der der alle Schüler auch eine österreichische Matura machen können“

Für Besucher sei die Gemeinde jedenfalls immer offen, unterstreicht P. Alexander Jernej im Interview mit uns:

„Besuchen Sie Istanbul auch als Pilger! Es ist eine Stadt, in der es sehr viele christliche Wurzeln zu besichtigen sind und in der auch das Christentum noch lebt und wir werden durch Besuche immer wieder sehr gestärkt.“

Eine herzliche Einladung...

Die gute Seele der Gemeinde

Die „gute Seele“ der Gemeinde ist Gerda Willam aus Bregenz im Vorarlberg - sie gehört der Gemeinschaft „Werk der Frohbotschaft Batschuns“ an, die mit den Lazaristen in der St.-Georgs-Gemeinde (St. Georg Kilisesi) zusammenarbeitet. Ihr drückt es etwas auf der Seele, dass die große Nachfrage nach einer Teilnahme an der Papstmesse im Stadion bei weitem das Platzangebot übersteigt:

„Daher war es auch etwas schwierig, dann Absagen zu erteilen und zu sagen, dass wir nur die einladen dürfen, die regelmäßig in der Gemeinde und beim Gottesdienst sind. Das war nicht ganz einfach, aber wir haben es jetzt geschafft. Ansonsten freue ich mich auf die Begegnung mit dem Papst.“ Sie selbst wird auch beim allerersten Termin des Papstes in Istanbul dabei sein, wenn Leo am Freitag in der Frühe in der Kathedrale die lokale katholische Gemeinschaft trifft

„Ich kann mich noch erinnern an das letzte Mal, als Papst Franziskus da war“

„Und dann ist der große Gottesdienst am Samstag, wo auch zum Glück diesmal mehr von der Gemeinde mitkönnen. Ich kann mich noch erinnern an das letzte Mal, als Papst Franziskus da war, das war wirklich eine ganz schwierige Situation. Das ist dadurch, dass die Messe jetzt in der Volkswagen Arena gefeiert wird, wesentlich besser, aber dennoch begrenzt natürlich.“

Adventskränze in der Kirche
Adventskränze in der Kirche

Einsatz für Ökumene - und Flüchtlinge

Besonders aktiv ist Gerda Willam im ökumenischen Einsatz für Flüchtlinge, ein Projekt, das während des Iran-Irak-Krieges in den 1980er-Jahren entstand, als viele Hilfesuchende in die Türkei kamen – ein Ansturm, der das Land damals überforderte.

Gerda Willem vor dem Plakat, auf dem einige Aktivitäten der Gemeinde abgebildet sind
Gerda Willem vor dem Plakat, auf dem einige Aktivitäten der Gemeinde abgebildet sind

„Nachdem auch viele Christen unter ihnen waren, haben sie an verschiedene christliche Kirchen angedockt. Die haben sich dann gemeinsam organisiert. Und Ich selber bin ziemlich sofort, nachdem ich hier in die Türkei gekommen bin, eingestiegen.“ Zehn Jahre lang war sie auch in der Koordination des anspruchsvollen Projektes tätig. Für die Feiern des Konzilsjubiläums erhoffe sie sich vor allem, „dass die einzelnen christlichen Kirchen wirklich ihren Platz bekommen“, gesteht sie uns angesichts der Tatsache, dass es im Vorfeld vor allem unter den Konfessionen, die nicht zum ökumenischen Patriarchat gehören, ein wenig Sorge gegeben habe, als Partner bei den Feiern nicht ernst genommen zu werden:

Hier im Audio: Gerda Willam aus Bregenz im Vorarlberg berichtet (Audio-Beitrag von Radio Vatikan)

„Dann hat sich aber bei der Programmerstellung ganz klar gezeigt, dass man wirklich geschaut hat, sowohl in Nizäa als auch in Istanbul, dass die gesamten kirchlichen ökumenischen Verantwortlichen berücksichtigt wurden.“

Beim Gottesdienst
Beim Gottesdienst

Dieser Tatsache sei auch das dichte Programm des mehrtägigen Besuches geschuldet, das Momente des gemeinsamen Gebetes und Zusammentreffens in zahlreichen orientalischen Kirchen Istanbuls vorsieht, bemerkt Gerda Willam. „Ich glaube, das war ganz, ganz wichtig, weil im Vorfeld bestand einfach die Angst, dass es, wie sonst für gewöhnlich, nur eine Begegnung zwischen Papst und Patriarch wird….“

Beim Gottesdienst
Beim Gottesdienst

Gutes Miteinander von Christen und Muslimen

Insgesamt habe sie den Eindruck, dass es im täglichen Leben ein gutes Miteinander zwischen Christen und der muslimischen Mehrheit des Landes gebe:

„Ich erlebe zum Beispiel auch von unseren Arbeitern, die ja oft auch religiös praktizieren, ein gutes Miteinander und ein echtes gegenseitiges Entgegenkommen“, betont die Österreicherin. „Zum Beispiel damals, als unser früherer Superior sehr krank war, haben auch die Arbeiter gesagt, dass sie für ihn beten. Als er dann gestorben ist, hat der islamische Religionslehrer unserer Schule am Grab eine Rede gehalten. Also ich würde es so sagen: Im praktischen Alltag gibt es ein gutes gegenseitiges Verständnis. Natürlich mag es sein, dass, wenn Politik und andere Interessen im Spiel sind, manches auch anders vermittelt wird, als es in der Praxis wirklich der Fall ist…“, räumt sie ein.

„Im praktischen Alltag gibt es ein gutes gegenseitiges Verständnis“

Genau an dieser Stelle sehe sie letztlich auch die Aufgabe ihrer Gemeinde, meint Gerda Willam: „Wir verstehen uns als Brückenbauer zwischen den Kulturen. Und ich würde einfach wünschen, dass die Leute jeweils auch die andere Sicht mehr wahrnehmen können. Bei Gruppen, die nach einem Besuch bei uns am Ende gesagt haben, dass sie jetzt ein wenig verwirrt seien, habe ich schon öfters geantwortet, dass das vielleicht sogar besser ist. Denn die Türkei, die Beziehungen zu Europa, die Menschen hier sind vielschichtiger als ,schwarz-weiß‘, wie sie gerade in europäischen Medien oft dargestellt werden.“

A bisserl Austria in Istanbul....

Vielschichtige Gemeindearbeit: Die Chorleiterin berichtet

Das Leben in der österreichischen Gemeinde ist vielschichtig: Von Frauengruppen über fruchtbare ökumenische Beziehungen mit anderen Gemeinden – die vor allem in der Gebetswoche für die Einheit der Christen in beeindruckenden gemeinsamen Feiern münden – sowie Gebetstreffen und Einsatz für die liturgische Gestaltung der Gottesdienste und viele andere gemeinsame Aktivitäten.

Die Chorleiterin Milena Dumezic
Die Chorleiterin Milena Dumezic

Milena Dumezic ist die ehrenamtliche Leiterin des St.-Georgs-Chores. Selbst langjähriges Mitglied, übernahm sie die Leitung der Gruppe nach der Pandemie: „Und ich mache das mit voller Leidenschaft“, berichtet sie mit leuchtenden Augen. Sie selbst gehöre auch „irgendwie schon immer“ zur Gemeinde, so die in Istanbul geborene Montenegrinerin, die eine deutschsprachige Schule besucht hat, mit einer vielsagenden Geste in Richtung Taufbecken.

„Auch ein bestimmtes Stück deutschsprachige Heimat für die Menschen zu bieten, vor allem in der Advents- und Weihnachtszeit“

„Deswegen fühlt sich das alles irgendwie auch wie daheim an… Und ich möchte gerne, dass das musikalisch auch weiterhin aktuell bleibt. Natürlich haben wir hier in der Gemeinde wirklich die Funktion, die Liturgien zu begleiten und auch ein bestimmtes Stück deutschsprachige Heimat für die Menschen zu bieten, vor allem in der Advents- und Weihnachtszeit.“

Die Gemeindemitglieder haben sich mittlerweile "professionalisiert", um alle Bestellungen abzuarbeiten
Die Gemeindemitglieder haben sich mittlerweile "professionalisiert", um alle Bestellungen abzuarbeiten

Geprobt wird im Theatersaal der direkt an die Kirche angrenzenden Schule, gesungen wird oft bei der Messe oder zu anderen Gelegenheiten. Doch es sei keinesfalls Bedingung, Deutsch zu sprechen, um im Chor Mitglied zu werden, wirft Dumezic noch ein: 

„Zufällig können derzeit alle Mitglieder Deutsch. Aber wir hatten auch eine Zeit lang Sänger, die kein Deutsch sprachen. Wir haben dann uns auf Englisch verstanden oder auch mit Händen und Füßen. Sprache ist nie eine Barriere für uns. Jeder, der gerne singen möchte, ist dabei. Und das Wichtigste sind eh die Motivation und das Verständnis dafür, was eine Chorgemeinschaft ist.“

„Zufällig können derzeit alle Mitglieder Deutsch. Aber wir hatten auch eine Zeit lang Sänger, die kein Deutsch sprachen. Wir haben dann uns auf Englisch verstanden oder auch mit Händen und Füßen. Sprache ist nie eine Barriere für uns“

(vatican news - cs/sst)

Danke, dass Sie diesen Artikel gelesen haben. Wenn Sie auf dem Laufenden bleiben wollen, können Sie hier unseren Newsletter bestellen.

27. November 2025, 18:04