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Angelus: Die Ansprache im Wortlaut

Lesen Sie hier die Katechese von Papst Franziskus beim Angelusgebet an diesem Sonntag in einer Arbeitsübersetzung von Radio Vatikan. Außerdem können Sie das Mittagsgebet mit Papst Franziskus auch im Video nachschauen - mit deutschem Kommentar.

 

Liebe Brüder und Schwestern, guten Tag!

Im Evangelium der heutigen Liturgie lädt uns Jesus ein, darüber nachzudenken, wie wir die anderen sehen und über sie sprechen. Blick und Worte.

„Wir finden immer Gründe, die anderen zu beschuldigen und uns selber zu rechtfertigen.“

Zunächst einmal, unser Blick. Die Gefahr besteht darin – sagt der Herr –, dass wir uns darauf konzentrieren, den Splitter im Auge unseres Bruders zu sehen, den Balken in unserem eigenen Auge aber nicht bemerken (vgl. Lk 6,41). Mit anderen Worten: wir achten sehr genau auf die Fehler der anderen, selbst die kleinsten – unsere eigenen Fehler aber übersehen wir gern, messen ihnen wenig Bedeutung bei. Jesus hat recht, wenn er sagt: Wir finden immer Gründe, die anderen zu beschuldigen und uns selber zu rechtfertigen. So oft beklagen wir uns über Dinge, die in der Gesellschaft, in der Kirche, in der Welt falsch laufen, ohne erst einmal uns selbst zu hinterfragen und bereit zu sein, uns zu ändern. Jede fruchtbare, positive Veränderung muss bei uns selbst anfangen. Sonst ist es keine Veränderung. Doch wenn wir das tun, dann sind wir blind, erklärt Jesus. Und wenn wir blind sind, dann können wir nicht den Anspruch erheben, andere belehren zu wollen. Denn wie sollte ein Blinder einen Blinden führen können?, sagt der Herr (vgl. V. 39).

Liebe Brüder und Schwestern, der Herr lädt uns ein, unseren Blick zu reinigen. Den Blick reinigen. Er fordert uns auf, in uns zu gehen und zuerst einmal unsere eigene Erbärmlichkeit zu erkennen. Denn wenn wir nicht in der Lage sind, die eigenen Fehler zu sehen, werden wir immer dazu neigen, die Fehler der anderen aufzubauschen. Wenn wir dagegen unsere eigenen Fehler, unsere eigene Erbärmlichkeit erkennen, dann öffnet sich uns das Tor der Barmherzigkeit. Und wenn wir unser Innerstes erforscht haben, lädt Jesus uns ein, die anderen so zu betrachten wie er es tut - das ist das Geheimnis: die anderen ansehen wie er es tut -, der nicht zuerst das Böse, sondern das Gute sieht. Gott blickt uns nämlich so an: Er sieht in uns keine nicht wiedergutzumachenden Fehler – er sieht in uns Kinder, die Fehler machen. Da wird die Optik verändert: man konzentriert sich nicht auf die Fehler, sondern auf die Kinder, die Fehler machen. Gott unterscheidet immer zwischen dem Menschen und seinen Fehlern. Er glaubt immer an die Person und ist immer bereit, Fehler zu verzeihen; er rettet die Person immer. Gott verzeiht immer. Und er fordert uns auf, dasselbe zu tun: nicht nach dem Bösen in den anderen zu suchen, sondern nach dem Guten.

„Das Wort missbrauchen heißt die Menschen verachten“

Nach diesen Gedanken dazu, mit welchem Blick wir die anderen ansehen, lädt Jesus uns heute ein, auch über unsere Worte nachzudenken. Der Herr sagt: „Wovon das Herz überfließt, davon spricht der Mund“ (V. 45). Und das stimmt: die Art und Weise, wie man spricht, zeigt, was man im Herzen hat. Die Worte, die wir benutzen, sagen, wer wir sind. Manchmal schenken wir unseren Worten wenig Aufmerksamkeit, verwenden sie nur oberflächlich. Aber Worte haben Gewicht: Sie erlauben uns, Gedanken und Gefühle auszudrücken, unseren Ängsten und Plänen eine Stimme zu geben, Gott und unseren Nächsten zu preisen. Leider können wir mit unserer Zunge aber auch Vorurteile schüren, Barrikaden errichten, unsere Brüder und Schwestern angreifen, ja sogar zerstören; mit der Zunge können wir unsere Brüder und Schwestern zerstören: Klatsch tut weh und Verleumdung kann schärfer sein als ein Schwert! Heutzutage, vor allem in der digitalen Welt, machen Worte schnell die Runde. Doch viele davon sind voller Wut und Aggression, verbreiten Fake News und nutzen kollektive Ängste, um verzerrte Ideen zu verbreiten. Ein Diplomat – ein ehemaliger UNO-Generalsekretär, der den Friedensnobelpreis erhalten hat – hat einmal gesagt: „Das Wort missbrauchen heißt die Menschen verachten“ (D. HAMMARSKJÖLD, Traces of a Path, Magnano BI 1992, 131).

Fragen wir uns also, welche Art Worte wir verwenden: Worte, die Fürsorge, Respekt, Verständnis, Nähe und Mitgefühl ausdrücken, oder Worte, die hauptsächlich darauf abzielen, uns vor anderen gut dastehen zu lassen? Und fragen wir uns auch: Rede ich mit Sanftmut oder verunreinige ich die Welt, indem ich Gift verbreite, kritisiere, klage, Aggressionen schüre?

Möge uns Maria, in der Gott die Demut gesehen hat, die Jungfrau der Stille, zu der wir jetzt beten, helfen, unseren Blick und unsere Worte zu reinigen.

(vaticannews - skr)

 

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27. Februar 2022, 12:28

Das Angelus ist ein Gebet, dass in Erinnerung an das ewige Geheimnis der Menschwerdung drei Mal am Tag gebetet wird: 6 Uhr morgens, am Mittag und am Abend gegen 18 Uhr, jeweils wenn die Glocken zum Angelusgebet rufen.
Der Name ‚Angelus‘ stammt aus dem ersten Vers der lateinischen Version des Gebets - Angelus Domini nuntiavit Mariae. Es besteht aus der Lesung von drei schlichten Texten, bei denen es um die Menschwerdung Jesu Christi geht, gefolgt jeweils von einem Ave Maria.
Dieses Gebet wird vom Papst auf dem Petersplatz sonntags mittags und an Hochfesten gebetet. Direkt vor dem Gebet legt der Papst kurz die Lesungen des Tages aus. Nach dem Gebet folgen Grüße an die Pilger.
Von Ostern bis Pfingsten wird an Stelle des Angelusgebets das Regina Coeli gebetet, das an die Auferstehung Jesu Christi erinnert. Zum Abschluss dieses Gebets wird das „Ehre sei dem Vater“ drei Mal gesprochen.

Gebet des Angelus / Regina Coeli mit Papst

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