Zollner über digitale Bildung: Noch sehr viel Luft nach oben
Kirche könnte vorangehen
Papst Leo hat in seiner Rede zu digitaler Bildung und auch zu einer digitalen Pädagogik aufgerufen. Davon sind wir doch eigentlich noch ziemlich weit entfernt - oder, Pater Zollner?
Als eine Aufgabe, die sich die Schulen, die Universitäten stellen, in einer konzertierten Weise, sind wir davon noch weit entfernt. Also ich glaube, dass da sehr viel Luft nach oben ist und dass wir da auch durch das katholische Ausbildungssystem, Schule und andere Einrichtungen plus Universitäten, eine große Möglichkeit haben, eine wichtige Funktion zu erfüllen, die sonst niemand erfüllt!
Über Risiken aufklären
Bei der Konferenz jetzt zum Thema Kinderschutz und künstliche Intelligenz ging es auch um Risiken, denen Kinder ausgesetzt sind in Bezug auf KI. Können Sie diese Risiken noch einmal beschreiben?
Die Risiken sind mannigfach. Ein großes Risiko ist allein schon die Abhängigkeit von Mobilgeräten. Kann ein Kind zehn Minuten, eine Viertelstunde ohne sein Gerät sein? Wie geht das, wenn keine Nachrichten ankommen oder wenn nicht ein ständiger Kontakt auch mit den sozialen Kanälen, die benutzt werden, vorliegt? Also da sind schon auch Gehirnmechanismen beeinflusst, die nicht einfach zu kontrollieren sind.
Das andere große Thema ist: Wie ist die Beziehungsgestaltung? Wie gehen Kinder, Jugendliche, miteinander um über diese Kanäle? Wie beeinflussen zum Beispiel Chatbots auch die emotionale Welt, die Vorstellungswelt? Wie beeinflussen sie, wie Vertrauen aufgebaut wird? Welche Vorstellungen von Freundschaften entwickeln sich? Und auch da haben wir ja gesehen, dass es bis dahin gehen kann, dass sich Menschen, Kinder, auch Jugendliche, so auf Chatbots verlassen, dass sie keine kritische Distanz mehr haben. In einigen Fällen ist es ja dann sogar zu Suizid gekommen - beziehungsweise zu einer Abhängigkeit, die den Kontakt zur Außenwelt sehr eingeschränkt hat.
Also insofern ist - neben den vielen guten Dingen, die künstliche Intelligenz bietet und die uns das Leben sehr viel einfacher macht in vielen Bereichen - gerade auch für Kinder und Jugendliche die Frage, wie wir sie besser schützen können.
Wichtige Weichenstellungen
Das ist auch ein Auftrag an Institutionen, damit Kinder auf einen mündigen Umgang mit diesen Technologien vorbereitet werden. Wo sehen Sie, dass diese Verantwortung tatsächlich auch schon wahrgenommen wird?
Also man kann sagen, dass sich die Regierungen je nach Couleur schon auf dieses Thema eingelassen haben. In Australien oder in Großbritannien gibt es da durchaus weitreichende Gesetze und Maßnahmen. Aber wie wir ja immer wieder erfahren, es ist nicht nur die Macht der Regierungen. Die ist an sich sehr begrenzt, weil es sich bei den großen Tech-Companies um multinationale Unternehmen handelt, die sich von einer einzigen Regierungs- oder Gesetzesinitiative nicht groß beeindrucken lassen müssen. Man muss natürlich auch sagen, dass sie so reich sind, so viel Geld haben, dass sie sich auch sehr viel erlauben können und auch viel im politischen Bereich oder im Gesetzgebungsbereich beeinflussen können, sodass sie Vorstellungen von dem, wie die Welt der künstlichen Intelligenz in der Zukunft ausschauen wird, sehr stark prägen wollen.
Wir sind jetzt an einem wirklich sehr wichtigen Kreuzungspunkt, weil Modelle, die bisher gegolten haben, auch für künstliche Intelligenz abgelöst werden können und müssen. Und neue Vorstellungen sind da, die gerade von den größten Playern und den einflussreichsten Playern im Feld stark aktiv betrieben werden.
Die Konferenz hier in Rom sollte eben zeigen, dass es eine Alternative dazu gibt und dass wir auch in der Lage sind, mit den Leuten zu reden, auch mit Rechtsbehörden, die da eine Sache mit einzubringen haben, sodass wir Alternativen bieten können. Und wenn wir gute Alternativen bieten können, dann wird sich auch die Frage stellen, ob die Gesellschaften, die großen Companies, darauf eingehen, weil sie einsehen, dass sie mit einem Modell des reinen Vermarktens dieser Daten, was ja jetzt eigentlich das Gängige ist, nicht mehr weiterkommen werden.
Dialog suchen, Bewusstsein schärfen
Auf der Konferenz waren ja in der Tat einige Tech-Firmen auch vertreten. Der Vatikan versucht, das Gespräch auch zu suchen mit diesen Firmen, um eben ethische Standards da auch zu verankern, etwa durch den „Rome Call for KI Ethics“. Aber natürlich auf einer freiwilligen Basis. Sehen Sie schon Ansätze, wo das tatsächlich auch umgesetzt wird, wo das fruchtet? Oder würden Sie sagen, freiwillige Basis? - Schwierig!
Ja, wie gesagt, auf gesetzlicher Basis wird es auch schwierig bleiben, weil - wenn die nicht wollen, dann können sie immer die Karte ziehen ,Wir gehören da nicht zu diesem Land oder zu jenem‘. Und eine Weltautorität einzurichten, die das Ganze regulatorisch wirklich bestimmen könnte, das würde sehr schwer werden. Insofern wird man einerseits auf die Freiwilligkeit bauen und andererseits auf die Überzeugung auch von Argumenten, die darauf zurückgehen, zu fragen, wer wollen wir sein als Menschen? Um was geht es uns denn, wenn wir in die Zukunft schauen?
Ich glaube, immer mehr Menschen werden auch sich dessen bewusst, dass die Mittel, die wir haben, sowohl im Internet als auch in der künstlichen Intelligenz, nicht dazu dienen, dass es uns als Menschheit besser geht, sondern dass wir an einer sehr kritischen Schwelle stehen, an der große Gefahren auch für das Weiterleben der Menschheit produziert werden. Und ich glaube, die Tatsache, dass alle hier Anwesenden, auch großen Firmen von Google über OpenAI, über andere, die hier präsent waren, die Erklärung unterschrieben haben, die wir vorgelegt haben, zeigt, dass sich mindestens einige auch in diesen großen Firmen dessen bewusst sind, dass wir nicht einfach nur so weitermachen können wie bisher.
Dankeschön.
Die Fragen stellte Anne Preckel.
(vatican news – pr)
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