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Christine Seuss (Mitte) und das Team von Radio Vatikan/Vatican News in Istanbul Christine Seuss (Mitte) und das Team von Radio Vatikan/Vatican News in Istanbul  

Papst in der Türkei: Einordnung unserer Korrespondentin

Christine Seuss ist in der Türkei und kommentiert für uns die Programmpunkte des Papstes auf seiner ersten Reiseetappe. Sie war an diesem Freitag auch in Iznik mit dabei.

Gehen wir nochmal einen Schritt zurück. Wie ist der Besuch von Papst Leo in der Türkei aus deiner Sicht gestartet?

Ja, es war ein spannender erster Tag für Papst Leo in Ankara. Vielleicht habt ihr das auch mitbekommen, es war wirklich ein Empfang in allen Ehren. Für ihn wurde das Protokoll reserviert, das nur allerhöchsten Staatsgästen vorbehalten ist, was die Anzahl der Kanonenschüsse betrifft, auch die Tatsache, die man vielleicht nicht so gewürdigt hat: dass Präsident Erdogan wirklich mehrere Minuten in der Kälte auf den Papst gewartet hat. Und grundsätzlich war überhaupt der ganze Empfang sehr herzlich. Auch in dem Moment, als Papst Leo dann die türkischen Soldaten begrüßt hat, wie glücklich und zufrieden Erdogan in dem Moment auch geschaut hat. Da hat man wirklich auch an der Körpersprache gesehen, dass es ein ganz besonderer Moment war, den auch Präsident Erdogan als einen solchen empfunden hat. Und das ist ja wirklich ein gutes Zeichen. Wir erinnern uns: Papst Leo sollte nach Erdogans Wunsch ja auch glücklich und zufrieden nach seinem Besuch nach Hause gehen. Also der Besuch ist wirklich unter den allerbesten Vorzeichen gestartet.

Wie ging es dann weiter?

Der Papst ist dann abends aus Ankara in Istanbul angekommen, wo es direkt in die Unterkunft ging, die Straßen waren auch weiträumig abgesperrt, ich selbst war abends noch in der Kathedrale zu einer Messe in der kleinen Kapelle, denn die große Kirche war ja schon zu in Vorbereitung auf die Begegnung heute morgen. Die Straßen rundum waren auch praktisch alle schon abgesperrt, denn der Komplex der Kathedrale ist ja, das dürfen wir nicht vergessen, direkt hinter der Roncalli-Straße, in der die katholische Delegation und auch der Bischofssitz liegen. Es war also auch schon mühsam, sich von dort aus zu bewegen.

Am Freitag gab es dann den ökumenischen Höhepunkt der Reise...

Ja, das Programm am Freitag würde ich selbst wirklich als Herzstück der Reise bezeichnen. Denn am Nachmittag kam Papst Leo vom rund 150 Kilometer entfernten Istanbul mit einem Hubschrauber eingeflogen, zur Feier des 1700. Jahrestags des Konzils von Nizäa, das in einer Situation stattgefunden hat, als die Kirche noch geeint war, und bei dem sich die Kirchen auf die göttliche Natur Christi geeinigt haben. Nizäa verdanken wir auch das Credo von Nizäa, das auch heute noch verbindlich gültig ist. Dass nun der Papst und Patriarch Bartholomaios auch die anderen christlichen Denominationen dazu eingeladen haben, dieses Jubiläum gemeinsam zu begehen, an diesem symbolträchtigen Ort und – das darf man auch sagen – in einer sehr intimen Atmosphäre, das ist schon ein ungeheuer bedeutendes Ereignis für die Ökumene.

Intim sage ich nicht nur deswegen, weil es mit etwa 200 Teilnehmern ein sehr überschaubarer Kreis war (uns Journalisten ausgenommen), sondern auch weil eigentlich keine politischen Gäste dabei waren, es war also wirklich kirchenintern. In den Medien wurde in den Tagen zuvor ja auch gemeldet, dass zum Beispiel der US-Vizepräsident Vance gerne an dem Jubiläum teilnehmen wollte – aber diese Idee wurde dann offenbar doch verworfen.

Aber an dem Tag war ja außer dieser gemeinsamen Feier noch mehr los…

Stimmt, da war noch wesentlich mehr, ein Tag, der einem wirklich kaum Zeit zum Durchatmen ließ.… Denn morgens schon hatte Papst Leo die katholische Gemeinschaft des Landes ganz familiär sozusagen getroffen – denn in die Kathedrale und in den Vorhof passen wirklich gar nicht so viele rein! Letztlich waren es wohl nicht mehr als um die 800 Leute zwischen drinnen und draußen.

Von großer Bedeutung für den Dialog war dann hingegen die Tatsache, dass er den jüdischen Oberabbiner der Türkei getroffen hat. Das war ja im ursprünglichen Programm gar nicht vorgesehen, aber letztlich wurde das, wie ja bei dem Treffen in der Diyanet, noch eingeschoben, was natürlich auch dafürspricht, dass das Interesse bei den potentiellen Gesprächspartnern im Lauf der Vorbereitungen und kurz vor dem Besuch nochmals angestiegen ist.

Vor diesem Termin hatte der Papst aber noch, direkt anschließend an das Gebetstreffen, die Kleinen Schwestern der Armen besucht, die das katholische Altenheim in Istanbul führen. Er hat sich dort über ihre Realität informiert und sicher auch über die Schwierigkeiten, mit denen sie kämpfen. Die Hoffnung ist natürlich, dass die Schwestern dank des Papstbesuches auch eine gewisse Rückenstärkung haben, was steuerliche Erleichterungen betrifft oder auch ganz einfach die Sicherung des Eigentums – denn immer noch hat die katholische Kirche in der Türkei ja keine Anerkennung als Rechtspersönlichkeit, und das führt immer wieder zu Problemen.

Was bedeutet das denn?

Das bedeutet im Prinzip, dass die katholischen Institutionen als solche kein Eigentum besitzen können. Das heißt, bis vor Kurzem mussten sogar Kirchen auf Privatpersonen „eingetragen“ sein, was natürlich bei Priesterwechseln oder Wechseln in Ordensgemeinschaften zu teils absurden juristischen Schwierigkeiten geführt hat. Jetzt kann die katholische Kirche nach einer Gesetzesänderung vor einigen Jahren zwar teilweise zumindest Stiftungen einrichten, aber wie auch der Bischof oder „Apostolische Vikar“ von Istanbul, Massimiliano Palinuro, in einem Gespräch mit uns deutlich betont hat, ist diese Anerkennung ein großes Anliegen der Kirche und daran wird auch gegenüber den türkischen Autoritäten immer wieder erinnert. Auch andere Konfessionen haben diese Probleme natürlich und sind auch vor Gericht, um Grundstücke vom Staat zurückzubekommen. Ein prominentes Beispiel dafür ist Mor Gabriel in Mardin.

Worauf müssen wir uns denn für Samstag vorbereiten, was sind die Höhepunkte?

Also schon am Morgen wird es - nach dem Besuch in der Blauen Moschee - losgehen mit einer Begegnung in der syrisch-orthodoxen Gemeinde, da trifft der Papst hinter verschlossenen Türen die christlichen Führungspersönlichkeiten. Die syrisch-orthodoxe Mor-Ephrem-Kirche, bei deren Einweihung vor zwei Jahren auch Präsident Erdogan gekommen ist, war übrigens auch der erste Kirchenneubau seit Gründung der türkischen Republik im Jahr 1923. Bei diesem Treffen werden die Kirchenführer sicher weiter über die Bedeutung des heute gemeinsam gefeierten Jubiläums sprechen und über weitere Schritte nachdenken.

Am Nachmittag wird Papst Leo dann ins Ökumenische Patriarchat fahren, wo er am Vortag des Andreasfestes an einer Doxologie, einer orthodoxen Liturgie, teilnehmen und anschließend eine gemeinsame Erklärung mit Bartholomaios I., dem Ehrenoberhaupt der Orthodoxie, unterzeichnen wird. Also ein wirklich günstiger „Kairos“, ein historischer Moment, in dem man sich bedeutende Entwicklungen erwarten kann und den wir gespannt beobachten.

Und dann am Abend natürlich die große Messe in der Volkswagen Arena, an der diesmal auch - anders als bei früheren Papstmessen in Istanbul - mehrere Tausend Menschen teilnehmen können. Zwar wird die über 5.000 Menschen fassende Arena aus Sicherheitsgründen nicht ganz gefüllt sein, aber immerhin, viele Anfragen konnten berücksichtigt werden, wenn leider auch nicht alle... Aber sicher wird es für die kleine katholische Gemeinde in der Türkei ein bleibendes Erlebnis werden.

Vielen Dank!

(vatican news – cs)
 

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28. November 2025, 18:38