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Papst Leo während einer Generalaudienz mit einem Ehepaar Papst Leo während einer Generalaudienz mit einem Ehepaar  (ANSA)

Vatikan: „Monogamie ist keine Einschränkung“

„Una caro – Ein Loblied auf die Monogamie“: So heißt ein Vatikan-Dokument, das am 24. November veröffentlicht wurde. Es betont den Charakter der Ehe als „exklusive Vereinigung“ und verurteilt häusliche Gewalt.

Isabella Piro und Edoardo Giribaldi  – Vatikanstadt *

„Unauflösliche Einheit“: So definiert die sogenannte ‚Lehrmäßige Note‘ der obersten Glaubensbehörde im Vatikan die Ehe. Mit dem Titel „Una caro“ (Ein Fleisch) bezieht sich der Text prominent auf das Buch Genesis, wo Adam über Eva sagt: „Das endlich ist Bein von meinem Bein / und Fleisch von meinem Fleisch“ (Gen 2,23). Das Dokument „Una caro“ wurde von Papst Leo XIV. gebilligt; es hat sieben Kapitel und eine Schlußfolgerung.

Drei Beweggründe für das Dokument

Kardinalpräfekt Víctor Manuel Fernández zählt in seiner Einleitung drei Beweggründe für den Text auf: Erstens den aktuellen „globalen Kontext der Entwicklung technologischer Macht“. Sie verleite den Menschen dazu, sich als „ein Wesen ohne Grenzen“ zu betrachten und sich somit vom Wert einer ausschließlichen Liebe, die nur einer einzigen Person vorbehalten ist, zu entfernen. Zweitens weist er auf die Diskussionen mit afrikanischen Bischöfen zum Thema Polygamie hin und erinnert daran, dass „eingehende Studien über afrikanische Kulturen“ die „weitverbreitete Ansicht“ widerlegen, dass die monogame Ehe ein Ausnahmefall sei. Drittens stellt er fest, dass im Westen die „Polyamorie“, das heißt öffentliche Formen nicht-monogamer Partnerschaften, zunimmt.

Auch das erste Paar war kein perfektes: Adam und Eva auf einem Fresko im Vatikan
Auch das erste Paar war kein perfektes: Adam und Eva auf einem Fresko im Vatikan


Die Ehe und die Vereinigung zwischen Christus und der Kirche

Das Dokument des Glaubensdikasteriums will die Schönheit der ehelichen Einheit hervorheben, die „mit Hilfe der Gnade auch die Vereinigung zwischen Christus und seiner geliebten Braut, der Kirche“, durchscheinen lasse. Der Text richtet sich in erster Linie an Bischöfe, soll aber – wie Kardinal Fernández betont – auch jungen Menschen, Verlobten und Ehepaaren helfen, den Reichtum der christlichen Ehe zu erkennen.

Freies Einverständnis und gegenseitige Zugehörigkeit

Das Dokument streicht heraus, dass die Monogamie keine Einschränkung ist, sondern vielmehr die Chance zu einer Liebe, die sich zur Ewigkeit hin öffnet. Zwei Elemente erscheinen dabei wichtig: die gegenseitige Zugehörigkeit und die eheliche Liebe. Für die gegenseitige Zugehörigkeit bildet allerdings eine „freie Zustimmung” der beiden Ehepartner die Voraussetzung; ein solcher Ehebund spiegelt die dreifaltige Gemeinschaft Gottes wider. Das Dokument spricht von einer „Zugehörigkeit des Herzens, in das nur Gott hineinschaut“ und wo nur Er eintreten kann, „ohne die Freiheit und Identität der Person zu beeinträchtigen“.

Federführend beim neuen Vatikan-Dokument: Kardinal Fernández
Federführend beim neuen Vatikan-Dokument: Kardinal Fernández


Die Freiheit des anderen nicht verletzen

So verstanden „impliziert die gegenseitige Zugehörigkeit, die der ausschließlichen gegenseitigen Liebe eigen ist, eine behutsame Fürsorge und eine heilige Furcht, die Freiheit des anderen zu verletzen, der die gleiche Würde und damit die gleichen Rechte hat“. Wer liebt, weiß, dass „der andere kein Mittel sein kann, um die eigenen Unzufriedenheiten zu lindern“, und ist sich außerdem im Klaren darüber, dass die eigene Leere niemals „durch die Beherrschung des anderen“ gefüllt werden darf. In diesem Zusammenhang bedauert die ‚Lehrmäßige Note‘ ausdrücklich die „vielen Formen ungesunden Verlangens, die in verschiedene Ausprägungen von offener oder subtiler Gewalt, Unterdrückung, psychologischem Druck, Kontrolle und schließlich Ersticken münden“. Es handelt sich um „mangelnden Respekt und Ehrfurcht vor der Würde des anderen“.

Die Ehe ist kein Besitz

Ein gesundes „Wir beide“ impliziert nach dem Dafürhalten der vatikanischen Glaubensbehörde hingegen „die Gegenseitigkeit zweier Freiheiten, die niemals verletzt werden, sondern immer eine Grenze bestehen lassen, die nicht überschritten werden darf“. Dies geschieht, wenn „die Person sich nicht in der Beziehung verliert und nicht mit dem geliebten Menschen verschmilzt“ – aus Respekt vor dem anderen. Eine gesunde Liebe ist dementsprechend eine, „die niemals den anderen absorbieren will“. In diesem Zusammenhang betont das Dokument, dass das Paar „verstehen und akzeptieren“ können muss, dass jeder etwas Raum fürs Alleinsein und Nachdenken braucht. Schließlich ist die Ehe „kein Besitz“, „kein Anspruch“ und auch keine vollständige Befreiung von der Einsamkeit (nur Gott kann nämlich die Leere füllen, die ein Mensch empfindet). Allzu viel Distanz ist aber auch nicht gut: „Wenn sie zu sehr um sich greift, bringt sie das ‚Wir beide‘ in Gefahr“.

Die Heilige Familie: Josef, Maria und der kleine Jesus auf der Flucht nach Ägypten
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„Beten, um in der Liebe zu wachsen“


Als „wertvolles Mittel“ für Paare, um in Heiligkeit und Liebe zu wachsen, empfiehlt der Vatikan das Gebet. Das „göttliche Geschenk” der Ehe werde durch Beten und sakramentales Leben gestärkt.

Sexualität und Fruchtbarkeit

Das Papier aus dem Glaubensdikasterium bietet auch einige Überlegungen zum Thema Sexualität. Dank der verwandelnden Kraft der Liebe lässt sich – so der Gedankengang – Sexualität nicht (nur) als Trieb verstehen, den es auszuleben gilt, sondern als „wunderbares Geschenk Gottes“, das sich auf Selbsthingabe reimt und bei dem das Wohl des anderen an erster Stelle steht. Fruchtbarkeit muss nicht „das ausdrückliche Ziel jedes Geschlechtsakts sein“; im Gegenteil, die Ehe behält ihren grundlegenden Charakter auch dann, wenn sie kinderlos ist.

Soziale Netzwerke und neue Pädagogik

Doch wie lässt sich „im Kontext des postmodernen Konsumindividualismus“, der den vereinigenden Sinn von Sexualität und Ehe leugnet, die Möglichkeit treuer Liebe bewahren? Die Antwort, so das Dokument, liegt in der Erziehung: „Das Universum der sozialen Netzwerke, in dem die Scham verschwindet und symbolische und sexuelle Gewalt zunimmt, zeigt die Dringlichkeit einer neuen Pädagogik“. Es ist notwendig, „die Generationen darauf vorzubereiten, die Liebeserfahrung als anthropologisches Geheimnis anzunehmen“, indem die Liebe nicht als bloßer Trieb, sondern als Aufruf zur Verantwortung und „Fähigkeit zur Hoffnung des ganzen Menschen“ dargestellt wird.


Die Aufmerksamkeit für die Armen

Zur ehelichen Gemeinschaft gehört, die sich Paare nicht in ihrem Schneckenhaus einschließen, sondern sich gemeinsamen Projekten öffnen, um „etwas Schönes für die Gemeinschaft und für die Welt zu tun“. Denn „der Mensch verwirklicht sich selbst, indem er sich in Beziehung zu anderen und zu Gott setzt“, ansonsten würden Egoismus und Selbstbezogenheit fröhliche Urständ feiern. Das Dokument appelliert an das „soziale Bewusstsein“ der Paare und meint damit vor allem Aufmerksamkeit für die Armen. Schließlich sind diese – so schrieb es Papst Leo in seinem ersten größeren Text „Dilexi te“ – nicht nur ein soziales Problem, sondern eine „Familienangelegenheit“ für Christen.

„Die eheliche Liebe als Versprechen der Unendlichkeit“


Zu guter Letzt bekräftigt die ‚Lehrmäßige Note‘, dass „jede echte Ehe eine Einheit aus zwei Individuen ist, die eine so intime und umfassende Beziehung erfordert, dass sie nicht mit anderen geteilt werden kann“. Von den beiden wesentlichen Eigenschaften der Ehe – Einheit und Unauflösbarkeit – begründet daher die erste die zweite. Nur so kann eheliche Liebe eine dynamische Realität sein, die in kontinuierlichem Wachstum und Entwicklung im Laufe der Zeit zu einem „Versprechen der Unendlichkeit“ wird.

Vom Buch Genesis zum Lehramt der Päpste

Nebenbei bemerkt lässt sich im neuen Vatikan-Dokument auch ein umfassender Exkurs zum Thema Monogamie aus kirchlicher Sicht finden. Vom Buch Genesis über die Kirchenväter und die wichtigsten lehramtlichen Äußerungen bis hin zu Philosophen und Dichtern des 20. Jahrhunderts wird alles aufgeboten, was sich zum „Wir beide“ sagen lässt. Natürlich darf auch der hl. Augustinus nicht fehlen; er wird mit den Worten zitiert „Gib mir ein Herz, das liebt, und es wird verstehen, was ich sage“.

Dokument im Pressesaal vorgestellt

Das Dokument wurde am Dienstag, 25. November, im Presseamt ​​des Heiligen Stuhls von Kardinal Víctor Manuel Fernández, dem Präfekten des Dikasteriums für die Glaubenslehre, und der italienischen Philosophie-Professorin Giuseppina De Simone von der Päpstlichen Theologischen Fakultät Süditaliens in Neapel vorgestellt. Kardinal Fernández hob bei dieser Gelegenheit das dynamische und allumfassende Wesen der monogamen Ehe hervor, bei der die Ehepartner das Leben in seiner Fülle teilten, so der Glaubens-Präfekt. Er verwies zugleich auf die „unveräußerliche Würde“ der in der Ehe vereinten Menschen.

Die Verteidigung der Monogamie bedeute auch, die Würde der Frau zu schützen - dies könne nicht geschehen, „wenn der andere Mensch lediglich zum Objekt der Befriedigung der eigenen Begierden wird“, so der Kardinal weiter. Die Ehe dürfe nicht zur „Beherrschung des Partners“ werden, so Fernández. Formen „ungesunder Begierde“ können tatsächlich zu offener oder subtiler Gewalt, zu Unterdrückung, psychischem Druck, Kontrolle und Erstickung führen, oft begleitet von Untreue. „Wahre Liebe erkennt die heilige Dimension des anderen an und erfordert eine behutsame Wahrung seiner Freiheit“, formulierte hierzu die italienische Philosophie-Professorin De Simone.

Auf Fragen anwesender Journalisten erklärte Kardinal Fernández, der Text des Dokumentes sei bereits seit Monaten fertig, seine Veröffentlichung jedoch im Vorfeld des ersten Apostolischen Schreibens von Papst Leo XIV., „Dilexi te“, verschoben worden. Das Schreiben gehe zudem nicht auf die Verwendung von Verhütungsmitteln ein. Anschließend kam der Kardinal auf das Thema Polygamie und deren Verbreitung auf dem afrikanischen Kontinent zurück und nannte als Beispiel Äquatorialguinea, wo diese Praxis in kleinen Dörfern noch immer weit verbreitet sei. Er erklärte, dass sich manche Priester, die versuchten, Gemeinschaften mit Gläubigen in monogamen Ehen zu bilden, oft isoliert fühlten: „Das sind schwierige Situationen“, räumte er ein. Es handele sich um einen Prozess, der schrittweise erfolgen müsse, wie auch Bischöfe vor Ort selbst einräumten.

* Zuletzt aktualisiert am 25.11. um 15:30 Uhr: Infos aus der PK, bei der das Dokument im Vatikan vorgestellt wurde.

* Der ital. Originaltext des Vatikandokumentes wurde von Stefan v. Kempis ins Deutsche übertragen und angepasst.

(vatican news - sk/pr)
 

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25. November 2025, 11:35