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Zohran Mamdani bei einem Besuch in einer Moschee in Puerto Rico am 7. November 2025 Zohran Mamdani bei einem Besuch in einer Moschee in Puerto Rico am 7. November 2025  (ANSA)

New Yorks „Anti-Trump“: Spiegelbild eines universellen Panafrikanismus

Der erste muslimische Bürgermeister von New York ist für viele Afroamerikaner in den USA und für Menschen in Afrika ein Hoffnungsträger. Zohran Mamdani sei ein ,Mann Afrikas' und Spiegelbild eines universellen Panafrikanismus, sagt der ugandische Soziologe Anthony Ssembatya im Interview mit Radio Vatikan.

Anne Preckel – Kampala/Vatikanstadt

Der demokratische Sozialist Zohran Mamdani gehört zum linken Flügel seiner Partei. Er ist der erste Muslim im Amt des New Yorker Bürgermeisters, und er hat afrikanische, genauer: ugandische Wurzeln. Außerdem wird der erst 34-Jährige der jüngste New Yorker Bürgermeister seit mehr als 100 Jahren. 

Radio Vatikan sprach darüber mit Dr. Anthony Ssembatya, einem Wissenschaftler aus Uganda, der sich intensiv mit zeitgenössischem politischem Denken befasst. Er ist Mitglied der International Association for Community Development (IACD), einer bei den Vereinten Nationen in New York und Genf akkreditierten globalen multidisziplinären Organisation für Gemeinschaftsentwicklung, und er ist in seinem Heimatland Uganda Teil der Menschenrechtsbewegung. Die Nachricht zum neuen Bürgermeister von New York erreichte den Katholiken Ssembatya, der Mamdanis Herkunftskontext aus nächster Nähe kennt, in seinem Heimatland, Uganda. 

Starke Verbindung zu Uganda

Welche Reaktionen hat es in Uganda und anderen afrikanischen Staaten auf die Wahl in New York gegeben?

Zohran Mamdani, der heute 34-jährige Bürgermeister von New York, ist in Uganda geboren und aufgewachsen. Er hat starke Wurzeln in Uganda, auch weil seine Eltern bis heute in Kampala leben. Sein Vater ist und war Professor an einer der renommiertesten Universitäten Afrikas in Kampala, der Makerere University. Als renommierter Wissenschaftler in Uganda und Tansania, aber auch in den Vereinigten Staaten, schafft er eine starke Verbindung für Zohran Mamdani und seine Familie zu Uganda.

„Es herrscht eine starke Hoffnung und Optimismus, dass sich auch die politische Lage in Afrika verbessern wird.“

Die Reaktionen waren daher sehr positiv, insbesondere bei jungen Menschen unter 30 Jahren, da er ihnen altersmäßig sehr nahe ist. Aber auch bei Menschen aus Afrika, sowohl bei Einheimischen aus Uganda als auch bei Einheimischen aus anderen afrikanischen Ländern. Und vor allem für diejenigen, die mit Universitäten verbunden sind, an denen sein Vater seit über 40 Jahren lehrt. Die Reaktionen sind also positiv.

Es herrscht eine starke Hoffnung und Optimismus, dass sich auch die politische Lage in Afrika verbessern wird.

Hier das Interview in deutscher Übersetzung (Anthony Ssembatya, Anne Preckel - Vatican News)

Sensibilisiert für Kolonialismus und Dynamiken der Macht

Mamdanis Vater hat intensiv zum Erbe des Kolonialismus in Afrika und dessen Auswirkungen auf Regierungsführung, Identität und Gerechtigkeit geforscht. Ist sein Sohn damit besonders sensibel für das Thema?

Ja, Professor Mahmoud Mamdani, dessen Werke ich sowohl in meiner Master- als auch in meiner Doktorarbeit und in vielen Publikationen häufig zitiert habe, hat zahlreiche akademische Bestseller geschrieben. Zum Beispiel „Citizen and Subject“, in dem er die Situation des palästinensischen Volkes und die Weigerung der Machthaber, ihnen das Recht auf Staatsbürgerschaft durch Geburt zu gewähren, analysiert. Er führt auch Beispiele aus dem Apartheid-Südafrika an. Und er nennt Beispiele aus so vielen Ländern, den Maori und den Aborigines in Australien, Neuseeland, aber auch in vielen anderen Ländern. Er schrieb auch über Landbesitz und die Enteignung, Terrorismus und Religion, Völkermorde in Ruanda und anderen Teilen der Welt und über Staaten, die einst Opfer waren und sich dann politisch zu Tätern gewandelt haben.

Zohrans Vater hat also im Laufe der Jahre viel Literatur geschrieben, in der er über Ungerechtigkeit spricht, auch basierend auf seiner eigenen Geschichte - als Mann, dessen Vater in Uganda geboren wurde, indischer Abstammung war und in den 70er Jahren zu einer Gruppe gehörte, der Idi Amin (ehemaliger Präsident von Uganda, Anm.) 90 Tage Zeit gab, das Land zu verlassen, sonst würde er sie in den Nil werfen. Das ist also in der eigenen Familien-DNA verankert und hat den akademischen Diskurs und die Karriere seines Vaters geprägt.

Und ich denke, dass dies auch seinen Sohn inspiriert und bis heute geprägt hat.

Gesicht einer neuen Generation von Führungskräften

Welche Hoffnungen knüpfen sich konkret an Zohran Mamdani - von afrikanischer Seite in den USA und in Afrika?

In erster Linie ist Mamdani das Gesicht einer neuen Generation von Führungskräften, sowohl im kulturellen, sozialen und politischen Bereich als auch, wenn man so will, im spirituellen Bereich. Führungskräfte, die nicht durch ihre ethnische Identität, ihre religiöse Identität oder gar ihre sexuelle Identität definiert sind. Angesichts seines Hintergrunds – geboren in Uganda, als Sohn indischstämmiger Eltern, Muslim – wäre er alles andere als das, was man sich unter einem Bürgermeister von New York vorstellt. Aber auch seine Identitäten würden sein politisches Denken nicht bestimmen.

„Sein Hintergrund und seine Denkweise machen ihn zu einer ganz besonderen Persönlichkeit. Ich denke, dass dies eine Generation neuer Führungskräfte in Afrika, aber auch in anderen Teilen der Welt, in Europa, Nordamerika und Lateinamerika, ist.“

Er ist Sozialist und spricht über Ungerechtigkeit und so weiter. Sein Hintergrund und seine Denkweise machen ihn zu einer ganz besonderen Persönlichkeit. Ich denke, dass dies eine Generation neuer Führungskräfte in Afrika, aber auch in anderen Teilen der Welt, in Europa, Nordamerika und Lateinamerika, ist.

Er ist also ein „Hoffnungsträger” für so viele junge aufstrebende Politiker, junge Menschen, die neue Ideen einbringen, die glauben, dass sie eine neue Form der Welt gestalten oder ein größeres Gleichgewicht in der Welt schaffen können.

Ein Anti-Trump

Mamdani hat sich klar als Trump-Gegner positioniert, sich etwa in Frage der Immigration klar hinter die Einwanderer gestellt. Wofür steht Mamdani?

Ich denke, Zohran Mamdani versucht zu hinterfragen, welche Entscheidungen die Macht trifft. Und das tut er, glaube ich, über alle politischen Grenzen und Spektren hinweg, egal ob Republikaner oder Demokrat, liberal oder konservativ – er versucht, ein Bild, ein Gesicht einer neuen Welt zu sein. Und er versucht zu verstehen, dass Religion besser verstanden werden kann, sogar für uns in der Wissenschaft. Identität kann besser verstanden werden. Und er hinterfragt auch den Markt, die freie Marktwirtschaft.

„Zohran Mamdani versucht zu hinterfragen, welche Entscheidungen die Macht trifft. Und das tut er, glaube ich, über alle politischen Grenzen und Spektren hinweg.“

Er spricht auch auf eher technische Weise über soziale Gerechtigkeit, dass es, wenn wir über soziale Gerechtigkeit sprechen, nicht nur um politische Zugehörigkeit geht - ob Demokrat oder Republikaner  - oder um religiöse Identität geht - ob katholisch oder christlich oder presbyterianisch oder anglikanisch oder muslimisch - , sondern um Gerechtigkeit für diejenigen, die im Laufe der Jahre und im Laufe der Geschichte viel Ungerechtigkeit erfahren haben.

Wenn wir zum Beispiel über die Roma sprechen oder über Migranten, die im Mittelmeer sterben im Falle Europas, wenn wir über Menschen sprechen, die in Lampedusa ankommen, versucht er, dies zu verdeutlichen. Um klar zu machen, dass die Herausforderung nicht bezüglich derjenigen besteht, die in Lampedusa ankommen, sondern bezüglich derjenigen, die Menschen schmuggeln, derjenigen, die Flüchtlinge oder Asylsuchende politisieren.

Aber wie ich bereits sagte, basiert dies auch auf seiner eigenen persönlichen Geschichte, da er der Sohn eines indischen Einwanderers ist, dem 90 Tage Zeit gegeben wurden, das Land zu verlassen. Sein Vater hat, als er in den Vereinigten Staaten ankam, übrigens auch eine Demonstration angeführt und wurde in den 70er Jahren ebenfalls aus den Vereinigten Staaten von Amerika ausgewiesen. Er landete schließlich in Tansania, weil er gegen die Ungerechtigkeit gegenüber den Palästinensern demonstriert hatte...

,Sohn Afrikas' und Vertreter eines universellen Panafrikanismus

Würden Sie sagen, dass Zohran Mamdani einen universellen Panafrikanismus vertritt? 

Meiner Meinung nach ist Mamdani ein Sohn Afrikas. Und ich denke, dass er sich für einen Panafrikanismus für Afrika einsetzt, da er in Afrika geboren und aufgewachsen ist. Außerdem versucht er meiner Meinung nach, die afrikanische Elite dazu zu bewegen, zu verstehen, dass auch Menschen aus Afrika nicht nur einer bestimmten ethnischen Identität angehören können.

Er spiegelt also ein sich wandelndes Afrika wider. Er spiegelt ein Afrika wider, in dem es Menschen unterschiedlicher Hautfarbe, unterschiedlichen Geschlechts, unterschiedlicher politischer Überzeugung, aber auch unterschiedlicher religiöser Identität gibt. Ich würde also sagen, dass er ein Spiegelbild des Panafrikanismus in Afrika, auf dem afrikanischen Kontinent, aber auch außerhalb Afrikas ist.

„...indem er versucht, die Herausforderungen seines Kontinents sowohl innerhalb als auch außerhalb des Kontinents anzugehen.“

Ich glaube, dass er, obwohl er in den Vereinigten Staaten lebt und Bürgermeister von New York geworden ist, sich weiterhin mit seinem eigenen Kontinent identifiziert, sich mit ihm verbindet und sich ihm anschließt. Und zwar nicht nur in sozialer Hinsicht, sondern auch, indem er versucht, die Herausforderungen seines Kontinents sowohl innerhalb als auch außerhalb des Kontinents anzugehen. Und wie wir wissen, wird die wachsende Zahl afrikanischer Einwanderer auch weiterhin am politischen, kulturellen, sozialen und religiösen Leben teilnehmen, ob wir das wollen oder nicht.

Über religiöse Grenzen hinweg

Mamdami ist Muslim. Gibt es Hinweise auf Mamdanis Verhältnis zu den christlichen Kirchen und anderen Religionen? Was ist hier für die Zukunft zu erwarten?

Meiner Meinung nach, da Mamdani in seinen Dreißigern ist, denke ich – und ich spreche hier aus ugandischer Perspektive, da ich einige seiner Freunde in Uganda kenne, die aus dem gesamten religiösen Spektrum stammen, die Muslime sind, die Katholiken sind, die Anglikaner sind, die Sieben-Tage-Adventisten sind, die Orthodoxe sind –, dass seine Generation eine Generation ist, in der Religion Dialog erfordert.

„Raum für interreligiösen Dialog, in dem junge Menschen sich versöhnen, diskutieren und über wichtige, religionsübergreifende Themen verhandeln können.“

Und es ist außerdem eine Generation, in der Dogmen und Regeln von einer neuen Generation junger Führungskräfte, in Frage gestellt werden. Ich denke also, dass er einen Raum für interreligiösen Dialog schaffen würde, aber auch einen Raum, in dem junge Menschen sich versöhnen, diskutieren und über wichtige, religionsübergreifende Themen verhandeln können. Er weckt also viel Hoffnung, und ich bin sehr optimistisch.

Kritik von jüdischer Seite

Mamdanis Kandidatur wurde im Vorfeld der Wahl in der jüdischen Gemeinde New Yorks kontrovers diskutiert. Gerade sein Engagement für die Menschen im Gazastreifen und seine Kritik an den Maßnahmen der israelischen Regierung lösten Debatten aus.

Ich weiß nicht viel darüber, aber sein Vater, Professor Mahmoud Mamdani, hat in seinen Schriften die Lage des palästinensischen Volkes kritisch beleuchtet. Er hat klar über die Ungerechtigkeit gesprochen, die ihnen als Volk widerfahren ist, aber auch über die Frage der Übernahme ihres Landes. Er spricht also das Thema Identität an, das Recht auf Nationalität, auf Zugehörigkeit, ein unveräußerliches Recht für jeden Menschen überall auf der Welt, unabhängig von seinem Wohnort. Das ist kein Privileg, sondern ein Recht.

Was die Ausführungen seines Vaters betrifft, über Identität, das Recht auf Zugehörigkeit etc. (...)  könnte ich mir vorstellen, dass Zohran auf dem akademischen Diskurs seines Vaters aufbaut, um seinen eigenen politischen Diskurs zu entwickeln. Er verteidigt jedoch nicht nur das Recht des palästinensischen Volkes, sondern spricht auch vom Recht des israelischen Volkes. Es handelt sich also um eine ausgewogene Argumentation. 

Symbolfigur, die Hoffnung weckt

Wie damals Barack Obama, der 2008 zum ersten schwarzen Präsidenten der USA gewählt wurde, hat auch Mamdani gesagt, seine Wahl sei „ein Mandat für Veränderung“. Viele der großen Erwartungen an Obama sind später abgeflaut oder wurden enttäuscht...

Mamdani weckt vor allem die Hoffnung, dass jeder Mensch aus aller Welt in die Vereinigten Staaten kommen kann und es schaffen kann, wenn er seinen Träumen treu bleibt. Zweitens ist Mamdani selbst ein ,face', ein Modell - es ist keine geringe Leistung, in Uganda als Kind indischer Eltern geboren zu werden, in den Vereinigten Staaten zu landen und im Alter von 34 Jahren eine politische Karriere aufzubauen.

Aber auch sein Hintergrund in der Musikindustrie, der Kunstszene in Uganda, seine Zusammenarbeit mit Musikern und so weiter zeigen seine Verbundenheit und seine Zugehörigkeit zu den einfachen Menschen. Er ist also eine Symbolfigur, die Hoffnungen weckt und für Afrikaner, aber auch für alle Migranten, unabhängig von ihrer Herkunft, ein Vorbild sein kann.

„Die Herausforderung stellt sich also nicht nur ihm selbst, sondern auch der Justiz, der Legislative und der Exekutive seines eigenen Landes, in dem er derzeit lebt...“

Unsere Aufgabe ist es, die neue Weltordnung zu verstehen. Sie bestimmt die Funktionsweise internationaler Institutionen, aber auch die Funktionsweise des institutionellen Rahmens innerhalb des Landes, in dem er lebt. Die Frage ist, ob diese institutionellen Rahmenbedingungen es Menschen mit unterschiedlichem Hintergrund erleichtern, sich zu entfalten und innerhalb dieser Rahmenbedingungen aufzusteigen und dies akzeptieren. Die Herausforderung stellt sich also nicht nur ihm selbst, sondern auch der Justiz, der Legislative und der Exekutive seines eigenen Landes, in dem er derzeit lebt... 

Aber ich gebe die Hoffnung nicht auf.

Vielen Dank für dieses Gespräch.

Hier das Interview auf Englisch (Anthony Ssembatya, Anne Preckel - Vatican News)
Anthony Ssembatya hat in Kampala Reaktionen beobachtet
Anthony Ssembatya hat in Kampala Reaktionen beobachtet   (Anthony Ssembatya Kimbowa)

(vatican news - pr)

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10. November 2025, 13:15