Bei einer Messe für einen 28-Jährigen, der während der Demonstrationen Ende Oktober erschossen wurde Bei einer Messe für einen 28-Jährigen, der während der Demonstrationen Ende Oktober erschossen wurde  (kalimanzila10@gmail.com)

Tansania: Kirche fordert Regierung zu Entschuldigung auf

Die politischen Führer sollen für die Gewalt nach der Niederschlagung von Straßenprotesten um Entschuldigung bitten. Das fordert der Bischof von Lindi, Wolfgang Pisa.

„Vielen Menschen wurde die Identifizierung der Leichen ihrer Verwandten oder Freunde verweigert“, so der Vorsitzende der Bischofskonferenz gegenüber Vatican News. Zur Gewalt vor und nach den Wahlen sprach er von „einem traurigen, schrecklichen, tödlichen Ereignis“.

Am Tag der Parlamentswahl vom 29. Oktober haben die Sicherheitskräfte nach Angaben des Bischofs mit beispiellos brutaler Gewalt auf Proteste in den großen Städten reagiert. „Sie haben nicht nur auf Demonstranten geschossen und sie getötet, sondern auch auf Menschen, die vor ihren Häusern standen und nichts mit den Protesten zu tun hatten. Sie taten dies auf ungezügelte Weise, ohne Gnade.“

Auch auf Unbeteiligte geschossen

Demonstrationen seien „ein Recht des Volkes“, sie dürften nicht mit Waffengewalt unterbunden werden. „Außerdem wussten die jungen Menschen, die die Proteste anführen, sehr wohl, dass die Behörden in einer derart angespannten gesellschaftspolitischen Lage niemals eine Genehmigung für Demonstrationen erteilt hätten.“


Wie viele Tote und Verletzte es insgesamt gab, weiß noch niemand. Nach ihrer Vereidigung für ihre zweite Amtszeit hatte Präsidentin Samia Suluhu Hassan die Zahl der Opfer heruntergespielt und von „wenigen Opfern“ gesprochen, ohne jedoch eine offizielle Bilanz bekanntzugeben. Zeugen hatten hingegen erklärt, Stapel von Hunderten von Leichen gesehen zu haben.

 Versuche, die Zahl der Toten zu verschleiern

„Wir haben Berichte erhalten, dass in einigen unserer Missionskrankenhäuser wie dem Rugambwa Hospital in Daressalam das medizinische Personal von der Polizei angewiesen wurde, verletzten Demonstranten die medizinische Versorgung zu verweigern oder ihnen nur begrenzte Hilfe zu leisten“, berichtet Lindi gegenüber Vatican News. „Von Anfang an wurden sie als Kriminelle bezeichnet, und wenn die Absicht der Sicherheitskräfte darin bestand, sie zu töten und nicht die Proteste friedlich zu beenden, überrascht es mich nicht, dass sie sie lieber tot als lebendig und auf der Suche nach medizinischer Hilfe sehen wollten.“


Außerdem hätte eine Versorgung der Verletzten „der Welt letztendlich ein wahrheitsgetreues Bild der Lage vermittelt“, fährt der Vorsitzende der Bischofskonferenz fort. Das hätte somit „zur Aufdeckung der Verantwortlichkeiten der Sicherheitskräfte geführt“. Es habe auch weitere Versuche gegeben, die Zahl der Toten zu verschleiern: „Vielen Menschen wurde in Leichenhallen und auf den Straßen die Identifizierung der Leichen ihrer Verwandten oder Freunde verwehrt. Das Ausmaß dieser Vorfälle ist jedoch noch schwer einzuschätzen.“

„Die letzten fairen Wahlen? Das waren die von 2015“

Die Analyse des Vorsitzenden der Bischofskonferenz reicht noch weiter zurück. Er spricht von Gewalt, die seit Jahren in Tansania herrsche und die dazu beigetragen haben dürfte, die jüngsten regierungsfeindlichen Proteste zu schüren: „Laut einem Dokument, das am 23. Oktober von der Vereinigung der Akademiker der Universität Daressalam veröffentlicht wurde, wurden zwischen 2020 und 2025 87 Menschen entführt. Davon wurden 36 brutal ermordet. Seit Jahren sorgt dies für öffentliche Empörung, da sich die Menschen fragen, ob dies das Werk der Polizei oder einer unbekannten unabhängigen Kraft oder sogar beider ist.“ Er frage sich, warum die Regierung nicht eingreife und den Übergriffen ein Ende setze. „Handelt es sich vielleicht um eine neue Art, die Bevölkerung einzuschüchtern, um sie zum Schweigen zu bringen?“

Pisa erwähnt auch, dass Oppositionsführer vor der Wahl schikaniert oder inhaftiert wurden. „Diese restriktive Haltung, einschließlich des Verbots für die Chadema-Partei, an den Wahlen teilzunehmen, zeigt deutlich, dass die Regierungspartei nicht offen für Demokratie und Mehrparteienwahlen ist. Die letzten fairen Wahlen? Das waren die von 2015.“


Die Kirche fühlt sich nach den Worten des Bischofs mehr denn je der Aufgabe verpflichtet, für Wahrheit, Gerechtigkeit und Frieden einzutreten. Sie fordere, „dass sich die politischen Führer für die Gewalttaten entschuldigen und dass unverzüglich ein unabhängiger Ausschuss eingerichtet wird, um dieses Desaster zu untersuchen“. Präsidentin Samia Sululu Hassan hat letzte Woche eine Untersuchungskommission zu der Gewalt eingerichtet. Doch die wichtigste Oppositionspartei, Chadema, lehnt diese Kommission ab: Sie sei nicht unparteiisch, sondern solle vielmehr „dazu dienen, die Wahrheit zu verschleiern“.

(vatican news – federico piana/stefan von kempis)
 

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20. November 2025, 14:57